Der Soundtrack zum Leben hat viele Tonlagen
31.08.2018 NusshofDie Gebrüder Kartschmaroff teilen eine Liebe: jene zur Musik
Für den einen ist die Musik Broterwerb, für den anderen eine kreative Beschäftigung: Die Brüder Kartschmaroff geben Einblicke in ihr Musikerleben. Ihr Schnittpunkt sind die gemeinsamen Auftritte mit ...
Die Gebrüder Kartschmaroff teilen eine Liebe: jene zur Musik
Für den einen ist die Musik Broterwerb, für den anderen eine kreative Beschäftigung: Die Brüder Kartschmaroff geben Einblicke in ihr Musikerleben. Ihr Schnittpunkt sind die gemeinsamen Auftritte mit ihrer Band I-van and the Cargo Handlers.
Nelly Anderegg
Ein kleines Laster gönnt sich Ivan Kartschmaroff. Er ist Raucher. Deshalb sitzen wir beim Interview bei erfrischenden 17 Grad draussen. Nicht nur die Luft ist erfrischend, auch der Bandleader und Gründer von «I-van and the Cargo Handlers» ist es. Offen erzählt er, wie er zu «Sex, Drugs and Rock ’n’ Roll» steht.
Erstgenanntes lassen wir einmal weg. Beim Thema Drogen zieht er eine klare Grenze zwischen sich und den psychoaktiven Substanzen, wie er sie nennt. «Ich habe zu viele gute Musiker abstürzen sehen», sagt er, «und diesen Weg wollte ich auf keinen Fall einschlagen», versichert Ivan Kartschmaroff.
Klar sei indes, dass Kunstschaffende immerwährend dem Druck ausgesetzt sind, kreativ sein zu müssen. Dass da so mancher Musiker mit gewissen Substanzen nachhelfe, könne er deshalb nachvollziehen. Das sei auch mit ein Grund, dass er mit der Musik nie seinen Lebensunterhalt verdienen wollte. Deshalb gilt bei seiner Band auch die Maxime, vor Auftritten keinen Alkohol zu trinken.
Auf einmal ist alles anders
Sehstörungen, Taubheitsgefühle, ein Kribbeln im Körper. 2006 wird zum Schicksalsjahr für Ivan Kartschmaroff. Seine Ärzte diagnostizieren Multiple Sklerose, kurz MS. Die Diagnose katapultiert den damals 45-Jährigen aus seinem Alltag. Nichts ist mehr wie vorher. Er braucht Jahre, um sich mit der Krankheit zu arrangieren. Durch die Musik hat er einen Weg gefunden, sich mit seiner Erkrankung auseinanderzusetzen. So schreibt er Texte und Melodien, bringt so sein Innerstes zum Vorschein, statt sich auf die Psychiater-Couch zu legen. 2012 gründet er die Band, die seine Songs und Coverversionen spielt. Im Folkrock und Blues findet der Primar- und Berufswahllehrer sein musikalisches Zuhause.
Ivan Kartschmaroff drückt sich mit der Gitarre, der Mandoline und seiner Stimme aus. So sind denn auch seine Songs ein Mosaik aus Melancholie und mitreissendem Rock. Auch wenn er mit der Tonalität spielt, haben die Texte doch immer die gleiche Botschaft für den Zuhörer: Das Leben zu bejahen. «Aufgeben war nach der Diagnose keine Option für mich», sagt Ivan Kartschmaroff, «denn der Soundtrack zum Leben wird eben nicht immer in Dur gespielt», meint er weiter.
Im Gegensatz zu seinem Bruder Ivan hat Gabor Kartschmaroff die Musik zu seinem Beruf gemacht. Als Lehrer an der Musikschule Reinach führt er schon die Kleinsten in die Welt der Musik ein. Seine Freude an der Blockflöte, deren Spiel auf höchstem Niveau oft verkannt wird, versucht er an seine Schülerinnen und Schüler weiterzugeben.
Musik als universelle Sprache
Musikalisch tanzt Gabor Kartschmaroff auf vielen Hochzeiten. Barock, Blues, Folkrock bis hin zur volkstümlichen Musik. Vielfalt statt Monotonie ist sein Credo. Neben der Blockflöte beherrscht er auch die Gitarre und die Hammondorgel. Die sagenumwobene «Rock-and-Roll-Energie», wie sie Polo Hofer zu Lebzeiten beschrieb, spürt auch er. Egal in welchem Musikgenre er sich bewegt. «Musik ist eine universelle Sprache und erzeugt Gefühle, für die es keine Worte gibt», erklärt Gabor Kartschmaroff.
Wie vielseitig seine Blockflöte einsetzbar ist, zeigt der Flötenvirtuose auch bei Auftritten mit den «I-van and the Cargo Handlers». Hat die Blockflöte doch Potenzial, Kultstatus zu erreichen?
Während sein älterer Bruder Ivan in der «Agglo» von Basel wohnt, lebt Gabor Kartschmaroff seit 13 Jahren in Nusshof. Ganz bürgerlich mit Haus und Garten. Weg von der Stadt, raus aufs Land. Er hat es keine Sekunde bereut.
Morgen werden die Brüder und ihre Bandkollegen erstmals gemeinsam in Nusshof auftreten. Für Gabor Kartschmaroff also ein Heimspiel. Freunde handgemachter Musik könnten an diesem Abend auf ihre Kosten kommen, wenn dann die legendäre «Rock-and-Roll-Energie» auch für das Publikum zu spüren ist.
«I-van and the Cargo Handlers», Samstag, 1. September, im «Beizli», Nusshof.