Im Oberbaselbiet Frieden gefunden
24.07.2018 FussballDer ehemalige Spitzenspieler Alex Nyarko engagiert sich beim SV Sissach
Der 44-jährige Alex Nyarko wohnt schon viele Jahre in Eptingen und ist seit einiger Zeit beim SV Sissach tätig. Er hat eine bewegte Geschichte im Fussball und im Leben und die Idee eines grossen Projekts in ...
Der ehemalige Spitzenspieler Alex Nyarko engagiert sich beim SV Sissach
Der 44-jährige Alex Nyarko wohnt schon viele Jahre in Eptingen und ist seit einiger Zeit beim SV Sissach tätig. Er hat eine bewegte Geschichte im Fussball und im Leben und die Idee eines grossen Projekts in Afrika.
Daniel Schaub
Die Weltmeisterschaft in Russland sei für ihn früh gelaufen, sagt Alex Nyarko. Alle sieben Teams, die er unterstützt hätte, seien schon bald ausgeschieden, «die Schweiz, Deutschland und die fünf afrikanischen Mannschaften». Es fehle ihm auch die Zeit, die WM intensiv zu verfolgen, seinen Job als Assistenztrainer beim SV Sissach in der 2. Liga nehme er sehr ernst. «Ich will jede Minute auf dem Platz stehen, eng verbunden sein, lernen und diese Zeit geniessen.»
Wenn sich einer wie Alex Nyarko auf regionaler Ebene im Fussball engagiert und von einem Lerneffekt für sich selbst spricht, mag das seltsam klingen. Es entspricht aber dem Charakter und der Lebenseinstellung des bald 45-jährigen Ghanaers, der im Fussball so ziemlich alles erlebt hat und auf oberster Ebene spielte.
Bei Olympia 1992
Seine Geschichte beginnt beim Club Asante Kokoto in der Stadt Kumasi, die grösser ist als die ghanaische Hauptstadt Accra. Hier spielt Alexander Nyarko Fussball mit Leidenschaft. Er ist talentiert und schafft es mit 19 Jahren ins Olympiateam von Ghana, das 1992 zu den Spielen nach Barcelona reist. Die Mannschaft ist zur Hauptsache mit den U17-Weltmeistern aus dem Vorjahr bestückt, «es war sehr schwierig, sich hier dazwischenzudrängen», erinnert sich Nyarko. Schon die Nomination war ein Erfolg, eingesetzt wurde der Mann mit der Nummer 6 nur im Viertelfinal gegen Paraguay. Ghana beendete das Turnier mit der olympischen Bronzemedaille, ein erster grosser Erfolg in der Fussballkarriere von Alex Nyarko, die ihn erstmals nach Europa geführt hatte.
Zwei Jahre blieb er noch in der Heimat, spielte für die Dawu Youngstars, ehe sich ein zuvor in Ghana tätiger rumänischer Trainer erinnerte und Alex Nyarko sein erstes Engagement bei einem Club in Europa vermittelte. Sportul Studentesc hiess der Verein, nicht gerade der Traum aller Ziele, aber immerhin ein erster Schritt. Ein Jahr später landete der junge Fussballer auf Vermittlung des damaligen Lipo-Besitzers Robert Zeiser in Basel, spielte nach der Rückkehr des Teams in die Nationalliga A unter Trainer Claude «Didi» Andrey gemeinsam mit Admir Smajic, Samir Tabakovic oder Massimo Ceccaroni in Zeiten, als die Champions League noch weit weg war vom Rheinknie. Am diesjährigen Basler-Cup-Final hat Nyarko seinen ehemaligen Mitspieler Samir Tabakovic, heute Trainer beim Erstligisten FC Black Stars, getroffen. Man hat ein bisschen über die Vergangenheit gesprochen. «Es löste ein paar Erinnerungen aus, aber grundsätzlich bin ich jemand, der sich lieber um die Zukunft kümmert», sagt Nyarko.
Mit dem Bus unterwegs
Es ist Mittwochmorgen, der pensionierte Profifussballer kommt mit dem Linienbus von Eptingen her. Dort wohnt er mit seiner Frau und seinen zwei Kindern seit über zehn Jahren im Haus der Grosseltern seiner Frau Barbara, die aus Sissach stammt. Sie haben sich damals während der Zeit von Alex Nyarko beim FC Basel kennengelernt. Er war ein kompletter defensiver Mittelfeldspieler, zweikampf- und laufstark, aber auch technisch beschlagen. Der Defensivspezialist fiel auf in Basel, wechselte nach zwei Jahren zum Karlsruher SC. Er stieg mit den Badenern ab und zog weiter zum RC Lens. Der Club war eben französischer Meister geworden und konnte sich nun auch auf der Bühne der Champions League präsentieren. Dies nutzte Alex Nyarko, er spielte in allen Partien, darunter zweimal gegen den FC Arsenal, durch und war auf der Höhe seines Wirkens.
Die Auftritte verhalfen ihm zum grössten Transfer der Karriere. Im Sommer 2000 holte ihn der FC Everton für 6,3 Millionen Euro in die Premier League. «Bei diesem Transfer lief einiges nicht sauber, es gab viele Leute, die sich einschalteten, Geld wurde blockiert», sagt Nyarko. Die Vorfälle haben ihm die Augen geöffnet. «Ich merkte, dass vieles im Fussball nicht gut läuft, dass viele schlechte Leute profitieren und dass dies kein gutes Vorbild für die Jungen ist.»
Die Gedanken kreisten, irgendwie geriet das Weltbild ins Wanken. Nyarko spielte in England gegen David Beckham und all die anderen Stars, doch die Karriere festigte sich nicht. Zweimal wurde er nach Frankreich ausgeliehen, zu Monaco, zu Paris Saint-Germain. Er war gut genug, um dort zu bestehen und regelmässig zu spielen, aber es war nicht mehr dasselbe. Über Norwegen fand er zurück in die Schweiz, der Kreis schloss sich, Didi Andrey holte ihn für eine letzte Saison zu Yverdon-Sport. «Natürlich hatte ich auch Verletzungen, aber der wahre Grund, warum ich mit dem Fussball aufgehört habe, war mein Kopf.»
Eine Mission in Ghana
Nyarko ging nach der Karriere auf Reisen, er ging in Ghana zur Schule, er begann «meine Mission», wie er sie nennt. Er ist gläubig, will Menschen helfen und hat eine grosse Idee im Kopf. «Ich möchte ein Camp in Ghana oder anderswo aufbauen, in dem wir junge Leute ausbilden, im Sport, aber auch in ihrer Persönlichkeit.» Der Zeitpunkt ist noch nicht gekommen. «Ich habe meine Vorstellungen, und die lassen sich mit den Leuten, die im Moment in Ghana an der Macht sind, nicht realisieren.» Der Fussball in Afrika mache keine Fortschritte mehr, weil viel Geld im Spiel sei und sich viele bereichern würden, denen der Fussball egal sei. Das sei auch der Grund, warum sich erstmals seit 1982 kein afrikanisches Team mehr für einen WM-Achtelfinal qualifizierte. «Es gibt viele Probleme.»
Nun also ist er in Sissach als Trainer tätig. Nach dem Rücktritt von Daniel Bachmann sprang er vorübergehend als Cheftrainer ein. Die Rolle behagte ihm nicht vollumfänglich. «Ich bin ein Leader, aber ich bin besser, wenn ich ein Team und die Spieler aus dem Hintergrund beobachten kann.» Nun ist er Assistent des neuen Trainers Alessandro Roberti, sein Sohn Alex Nyarko junior ist wieder im Team. Nyarko senior ist überzeugt, dass «der SV Sissach in der neuen Saison eine gute Rolle spielen kann». Für ihn sei es nicht relevant, auf welchem Level er sich betätige. «Wichtig ist immer, dass es ein Ziel und eine Zukunft gibt. Viele denken vielleicht, das sei nur eine kleine Sache. Aber es ist etwas Grosses.»
Alex Nyarko, Olympiateilnehmer, 44-facher Nationalspieler Ghanas mit Champions-League-Erfahrung. Im Oberbaselbiet hat er eine kleine Bühne gefunden, die ihm behagt. Oder wie er es ausdrückt: «Ich habe hier meinen Frieden gefunden.»