Ein englischer Snob in Afrika
21.06.2018Lesetipp | «Expeditionen eines englischen Gentleman» von Evelyn Waugh
«Expeditionen eines englischen Gentleman» ist ein zeitloser Bericht über das Unterwegssein als Alptraum – und als solcher ein Juwel der ...
Lesetipp | «Expeditionen eines englischen Gentleman» von Evelyn Waugh
«Expeditionen eines englischen Gentleman» ist ein zeitloser Bericht über das Unterwegssein als Alptraum – und als solcher ein Juwel der Reiseschriftstellerei.
Simone Pfaff*
Die Krönung von Haile Selassie zieht 1930 ein schillerndes Publikum nach Addis Abeba. Mitten unter ihnen: «Times»-Sonderkorrespondent Arthur Evelyn St. John Waugh. Es ist ein Anlass wie geschaffen für die satirische Feder des Engländers. Er mokiert sich über europäische Diplomaten und ihre Entourage und liefert das Porträt einer vergnügungssüchtigen Gesellschaft, die, weit weg von zu Hause, in Abessinien, ihre ausgelassenen und pompösen Feste feiert.
Als Evelyn Waugh am 10. Oktober 1930 von London aus nach Addis Abeba aufbrach, wusste er nicht, was ihn erwarten würde. Aus einer Laune heraus hatte er beschlossen, aus dem fernen Afrika über die Krönung von Haile Selassie zum König der Könige von Äthiopien zu berichten. Vertreter aller bedeutenden Weltmächte reisten zu den Feierlichkeiten an – und bauschten das Ereignis gewaltig auf. In Europa klangen die Berichte von der ungeheuerlichen Prachtentfaltung bei der Krönungszeremonie wie ein Märchen aus «Tausendundeiner Nacht».
Waugh dagegen fühlte sich wie ein englischer Gentleman inmitten geschmackloser Barbarei und sah ganz andere Dinge als seine Journalisten-Kollegen. Auch seine Heimreise über Aden, Sansibar, Kenia, Belgisch-Kongo und Südafrika schildert er mit einer extravaganten Abgeklärtheit und staubtrockenem Humor.
Eine Kostprobe
Für die Kaiserkrönung wurde nun etwas mehr an Aufwand erwartet, doch die Reaktion der Weltmächte übertraf die äthiopischen Erwartungen in einer Weise, die schmeichelhaft war und zugleich für Verlegenheit sorgte. Die Staaten, die sich nicht so direkt für Afrika interessierten, interpretierten die Bekanntgabe als Einladung, und diejenigen mit starken lokalen Interessen ergriffen die Gelegenheit, ihre Wertschätzung und Sympathie in einer Weise zu zeigen, die mit Blick auf die bestehenden Beziehungen zu dem Land völlig überzogen war.
Zwei Regierungen entsandten Angehörige des Königshauses, die Vereinigten Saaten schickten einen Herrn mit Erfahrungen in der Elektrobranche. Die Gouverneure von Britisch-Somaliland, dem Sudan, Eritrea, der Repräsentanten in Aden, ein französicher Marschall, ein Admiral, drei Piloten und eine Marinekapelle erschienen in den unterschiedlichsten Uniformen. Für geeignete Geschenke wurden erhebliche staatliche Gelder aufgewendet. Die Deutschen brachten eine signierte Fotografie des Generals von Hindenburg sowie achthundert Flaschen Rheinwein, die Griechen eine moderne Bronzestatuette, die Italiener ein Flugzeug, die Briten zwei elegante Szepter mit einer Inschrift in nahezu fehlerfreiem Amharisch.
Wozu dieser ganze Aufwand? Diese Fragen stellten sich viele, selbst die unmittelbar Beteiligten.
Evelyn Waugh, geboren 1903 in Hampstead, war Maler, Lehrer, Reporter und Kunsttischler, bis er in der Schriftstellerei sein Metier fand und zu einem der wichtigsten englischen Autoren des 20. Jahrhunderts wurde. Er starb 1966 in Taunton. Weitere Bücher aus seiner Feder sind «Ohne Furcht und Tadel», «Ausflug ins wirkliche Leben» und «Verfall und Untergang». Mit «Decline and Fall» des Regisseurs Guillem Morales aus dem Jahr 2017, «Wiedersehen mit Brideshaed» von 2008 und «Eine Handvoll Staub» aus dem Jahr 1988 wurden einige von Waughs Werken verfilmt.
* Simone Pfaff ist Buchhändlerin bei Pfaff, Papeterie/Bücher/Bürobedarf & Möbel, Hauptstrasse 81, Sissach, www.pfaff-sissach.ch