Ein Hof steht seit 460 Jahren schief
13.03.2018 RamlinsburgNeues Buch dokumentiert die Arbeit der Zimmerleute von damals
vs. Beim Bau folgte ein Fehler dem anderen und doch steht das schiefe Bauernhaus in Ramlinsburg nach 460 Jahren immer noch an seinem Platz. Dieser Umstand zeuge vom Können des damaligen Zimmermanns, sagt ...
Neues Buch dokumentiert die Arbeit der Zimmerleute von damals
vs. Beim Bau folgte ein Fehler dem anderen und doch steht das schiefe Bauernhaus in Ramlinsburg nach 460 Jahren immer noch an seinem Platz. Dieser Umstand zeuge vom Können des damaligen Zimmermanns, sagt Jakob Steinmann, der selbst Zimmermann ist und nun in Zusammenarbeit mit der Archäologie Baselland ein Buch publiziert hat, in dem er Fakten zur Errichtung des Bauernhauses am Gassenbrunnen zusammengetragen hat.
Die Untersuchungen am Haus förderten Kenntnisse über die damaligen handwerklichen Techniken zutage und erlaubten darüber hinaus Einblicke in ganze Arbeitsprozesse, wie an der Buchvernissage zu erfahren war. So habe der Baumeister während der mindestens zwei Jahre andauernden Fertigstellung des Hauses ganz ohne Bauplan gearbeitet, den gesamten Abbund aber vor dem geistigen Auge gehabt.
Aus Fehlern gelernt
Buchvernissage zum Zimmermannshandwerk vor 460 Jahren
Alte Gebäude sind nicht nur wichtig für das Ortsbild. In ihnen stecken auch wertvolle Informationen. Ein neu erschienenes Buch zeigt spannende Fakten zur Errichtung des Bauernhauses am Gassenbrunnen 5/7 in Ramlinsburg und wie Zimmerleute vor über 400 Jahren gearbeitet haben.
Beat Ermel
Die schiefen Pfosten haben Elisabeth Rudin-Imhof, die heutige Eigentümerin eines alten Bauernhauses in Ramlinsburg, geängstigt. Sie wandte sich mit ihrer Sorge an die Denkmalpflege. Diese schaltete zwecks Beurteilung den erfahrenen Zimmermann Jakob Steinmann ein, der feststellte, dass das Gebäude schon beim Bau vor 460 Jahren schief aufgerichtet worden ist. Inzwischen war auch die Archäologie Baselland mit dem Haus beschäftigt.
Die vorliegenden Untersuchungen gaben nicht nur Aufschluss über die handwerklichen Techniken, vielmehr wurden ganze Arbeitsprozesse ablesbar. Der Fund war von derartiger Bedeutung, dass Jakob Steinmann in Zusammenarbeit mit der Archäologie Baselland über den Abbund des Mehrreihen-Ständerbaus – so die fachmännische Bezeichnung – das nun vorliegende Buch «Zimmermannshandwerk vor 460 Jahren» schrieb.
Am vergangenen Freitag fand am Ort des Geschehens die Buchvernissage statt. Reto Marti, Kantonsarchäologe, Walter Niederberger, stellvertretender Denkmalpfleger, und der Zimmermann und Autor Jakob Steinmann gaben mit direktem Blick auf die schiefen Balken und anhand eines Modells sowie eines Animationsfilms eindrückliche Einblicke in die Baugeschichte dieser Liegenschaft. Der nun vorliegende Buchband zeigt, was Fachleute und Bauforscher heute aus einem Baufehler aus längst vergangener Zeit lernen können.
Mindestens zwei Jahre dauerte die Fertigstellung des Bauernhauses am Gassenbrunnen 5/7 im unteren Dorfteil der Gemeinde Ramlinsburg, wie Jakob Steinmann berichtete. Die Waldbäume wurden im Winter 1554/55 beschlagen und zu Bauholz behauen. Um die Bauhölzer – jedes einzelne gut 800 Kilo schwer – der komplexen Konstruktion möglichst wenig zu bewegen, wurden die Stämme nach Mass vor- und zubereitet. Der verantwortliche Meister musste den gesamten Abbund vor seinem geistigen Auge gehabt haben. Er arbeitete wie das damals üblich war mit bewährten Zahlenverhältnissen und Proportionen, aber ohne Bauplan.
Ein Fehler folgt dem anderen
«In Ramlinsburg wurde bei diesem Vorgehen die Aussparung einer wichtigen Balkenverbindung an der falschen Stelle ausgenommen», erklärt Steinmann. Dieser folgenreiche Fehler beim massgerechten Zurechtschneiden und Anpassen der Bauhölzer müsse noch während des Herrichtens erkannt worden sein. Denn einzelne Verbindungen mussten unter Berücksichtigung der notwendigen Drehungen und Verschiebungen abgeändert werden. Die vielen Abhängigkeiten der einzelnen Bauteile untereinander führten aber zu weiteren Folgefehlern. Es wurde gedreht, gekürzt und gekappt. Schliesslich musste wohl der Meister den Abbund so retten, dass der Fehler von aussen nicht sichtbar wurde, aber im Gebälk so einiges schief stand.
Das Missgeschick scheint noch während des Baus eine Ummauerung des Wohnteils zur Stabilisierung der Konstruktion unausweichlich gemacht zu haben. «Die Art und Weise aber, wie dieses Missgeschick korrigiert wurde, zeugt vom Können des Zimmermanns», betont Steinmann.
Trotz der massiven und bereits zur Bauzeit erfolgten Eingriffe in das Baugerüst und den späteren baulichen Veränderungen blieb die schiefe Konstruktion bis heute unglaublich standhaft, bedarf jetzt aber dringend einer Sanierung. Die Unterschutzstellung des Gebäudes ist gemäss Niederberger in Bearbeitung.
«Zimmermannshandwerk vor 460 Jahren. Der Abbund eines Mehrreihen-Ständerbaus in Ramlinsburg». Von Jakob Steinmann. Schriften der Archäologie Baselland, Bd. 53, Schwabe-Verlag, Basel 2018.
Zum Autor
be. Jakob Steinmann erlernte nach Abschluss eines geschichtlich orientierten Studiums in Basel den Beruf des Zimmermanns. Als selbstständiger Zimmermann und Treppenbauer eignete er sich vertieftes Wissen im Bereich der traditionellen Holzbearbeitung an. Die im Text erwähnte Animation wird auf der Internetseite der Archäologie Baselland in Bälde zu sehen sein.