Staub zu Staub, Räppli zu Räppli
23.02.2018Und wieder einmal ist sie von uns gegangen: die Fasnacht. «Staub zu Staub, Räppli zu Räppli», möchte man ihr hinterherrufen. Und sich die Zeit nehmen, ein paar nachdenkliche Zeilen zum närrischen Treiben, zur Fasnacht und zum Morgestraich zu schreiben. Als ...
Und wieder einmal ist sie von uns gegangen: die Fasnacht. «Staub zu Staub, Räppli zu Räppli», möchte man ihr hinterherrufen. Und sich die Zeit nehmen, ein paar nachdenkliche Zeilen zum närrischen Treiben, zur Fasnacht und zum Morgestraich zu schreiben. Als Wahlbaselbieter erwartet man von mir vielleicht ein paar lustige oder zumindest anerkennende Worte zu Räppli, Waggis und alten Danten. Da ich erst seit knapp vierzig Jahren in der Nordwestschweiz lebe, lasse ich es sein: Noch ist es mir nicht gelungen, alle fasnächtlichen Geheimnisse zu lüften.
Zudem war meine fasnächtliche Erziehung mehr als bedenklich und beschränkte sich auf Besuche zwielichtiger Spelunken in der Ostschweiz. Das Erlernte lässt sich in einem kurzen Merksatz zusammenfassen: «Werden die Röcke der Serviertöchter kürzer, das Bier jedoch teurer und die Nächte länger, dann ist die Baizenfasnacht ausgebrochen.» Ein Kommentar zur Basler Edelfasnacht wäre deshalb verwegen und würde nur erregte Leserbriefe provozieren. Auch zur Trommel habe ich bis heute keinen musikalischen Zugang gefunden. Piccolo trinke ich lieber, als es zu blasen; die dissonanten Klänge angeheiterter Spontanblechmusiker mag ich nicht kommentieren.
Ich habe mein halbes Leben in Basel gearbeitet. Diese liebenswürdige Stadt ist während dieser Zeit zu meiner zweiten Heimat geworden. Allerdings nur während ungefähr 180 Tagen pro Jahr. Kaum näherte sich die Fasnacht, wurden meine eingeborenen Freunde unberechenbar, reizbar und habgierig. Niemand hatte mehr Zeit für etwas. Schon Wochen vor den vermeintlich scheensten drei Tagen im Leben eines real existierenden Basler Fasnächtlers sind sie nicht mehr ansprechbar. Sie verbringen die vorfreudige Zeit vornehmlich mit Organisieren, Kostümieren und Konsumieren.
Auch viele Hoteliers und Restaurateure verfallen regelmässig in einen fastnächtlichen Trancezustand. Denn immer noch verdienen sich einige Betriebe den Jahresmietzins während dieser drei Tage. Dagegen spricht natürlich grundsätzlich nichts. Aber auch Vertreter von Mehl-Päcklisuppen und industriell vorfabrizierten Zwiebel-Wähen machen das Geschäft des Jahres. Weinhändler verlieren jede Scham: Kaum eine önologische Absonderlichkeit, die auch noch zu Wein wird. Und so wird auch mancher Baizer von Schamlosigkeit erfasst und verpasst seinem drittklassigen Angebot erstklassige Preise.
Zürcher Wurstbrater und anatolische Kebabgriller haben auch dieses Jahr wieder Teile der Basler Altstadt infiltriert. Anstelle von Müffli schlürfte man Cüpli, verlieh sich Flügel und dröhnte sich mit Shots und Hanfbier zu. Gras statt Kiel, Konfetti statt Räppli. Und so verwunderte es niemanden, dass so mancher Narr keiner mehr sein wollte und sich heimlich in dunklen Gassen verpflegte. Hinter alten Mauern sitzend, öffneten sie bedächtig ihre mitgebrachten Thermoskannen und schenkten sich ein warmes Süppchen ein. Eine echte, selbst gemachte Basler Mehlsuppe.
Der Autor, Kolumnist Hanspeter Gsell, lebt seit mehr als 30 Jahren in Sissach.