Umtriebig, vernetzt und freisinnig
30.01.2018 RünenbergDer Medienanwalt, Verleger und Kurzzeitpolitiker Martin Wagner
Anwalt Martin Wagner, das Mordopfer, hat vor allem in der Medienszene nationale Bekanntheit erlangt. Seinem Versuch, auch in der Politik Fuss zu fassen, war wenig Erfolg beschieden.
Jürg ...
Der Medienanwalt, Verleger und Kurzzeitpolitiker Martin Wagner
Anwalt Martin Wagner, das Mordopfer, hat vor allem in der Medienszene nationale Bekanntheit erlangt. Seinem Versuch, auch in der Politik Fuss zu fassen, war wenig Erfolg beschieden.
Jürg Gohl
Drei, vier Autos kreuzen. Eine Person spaziert strammen Schrittes der Hauptstrasse entlang. Am westlichen Dorfeingang fallen höchstens mehrere Autos im Bereich des Tatorts auf. Im Hochplateau-Dorf Rünenberg, in welchem sich 27 Stunden zuvor die Tragödie abgespielt hat, herrscht zur Mittagszeit Ruhe. «Zwei Männer, die das ganze Dorf kannte, sind ums Leben gekommen», sagt Peter Grieder, als interimistischer Gemeindepräsident die erste Auskunftsperson zum Mordfall in Rünenberg. Martin Wagner, der mit 57 Jahren am vergangenen Sonntag erschossen wurde, war aber nicht bekannt, weil er sich in Rünenberg oder in örtlichen Vereinen engagierte.
Das öffentliche Dorfleben war eher die Sache seiner Frau, die im vergangenen Herbst einem Gehirntumor erlegen ist. Ein ähnliches Bild von ihm wird auch in Maisprach geschildert. Dort verbrachte er als Zugezogener seine Jugend. In Rünenberg drehte man den Kopf nach ihm, weil er in den vergangenen Jahren bei grösseren Unternehmungen mal am Steuer und mal im Beiboot sass und mehrfach um nationale Schlagzeilen besorgt war.
Zum Beispiel im vergangenen Jahr: Als Autoimporteur und SVP-Politiker Walter Frey den «Blick» erwerben und stärker auf Sport trimmen wollte, war es Wagner, der die Verhandlungen führte und wohl auch Ideengeber war. Er fädelte zuvor den Kauf der «Basler Zeitung» durch Tito Tettamanti ein, war Mitbesitzer und zeitweise sogar Verleger der Zeitung. Auch legte er sich öffentlich mit Christoph Blocher und dem neuen Chefredaktor Markus Somm an, nachdem das Engagement des ehemaligen SVP-Bundesrats bei der «Basler Zeitung» publik geworden war. Bei diesem Blatt war er bis zuletzt auch Hausanwalt.
Angst kannte er keine
Eines kann man sagen: Wagner hatte vor niemandem Angst und wird vom Internet-Medium «Onlinereports» als Anwalt charakterisiert, «der Grobes nicht scheut und Appetit hat auf mehr Macht». Der Blick schildert ihn als einen Mann der «mit darwinistischer Aggressivität» vorzugehen pflegte. Die «Basellandschaftliche Zeitung» überschreibt ihren Nachruf mit «ein Mann, der stolz darauf war anzuecken». Die NZZ, um die kurze Presseschau abzurunden, bezeichnet ihn als «umtriebigen Wirtschafts- und Medienanwalt».
Er war ein enger Verbündeter von Hans Rudolf Gysin, dem langjährigen Baselbieter FDP-Nationalrat und Leiter der Wirtschaftskammer, und besass in diesem Haus am Altmarkt zwischen Liestal und Lausen auch ein Büro. Ebenso war er der engste Vertraute von FCB-Präsident Bernhard Burgener, der sein Geld mit Film- und Sportrechten macht. Seine Beziehungen zu einflussreichen und finanzstarken Personen, darunter SVP-Exponenten wie den gebürtigen Sissacher Thomas Matter, waren beeindruckend.
Trotz SVP-Freunden freisinnig
Gleichwohl sei er ein «aufrichtiger Freisinniger» gewesen, schildert ihn der Gelterkinder Michael Herrmann, dem früheren FDP-Landrat und Kantonalpräsidenten. Bis zuletzt hat Wagner derselben FDP-Sektion wie Herrmann angehört und sie auch immer wieder unterstützt. «Wir hatten eine spannende, intensive Zeit», sagte Herrmann gestern, «ich stehe noch immer unter Schock.» Er schildert den Verstorbenen auch als «blitzgescheiten Schnelldenker».
2011 riskierte Wagner sogar selber den Schritt in die aktive Politik und buhlte um einen Nationalratssitz. Doch der Versuch misslang. Er landete parteiintern auf dem vorletzten Rang und sammelte 6842 Stimmen, etwas mehr als die Hälfte von Daniela Schneeberger (12553), die das interne Rennen machte. Der oft gehörten Aussage, dass der Anwalt hinterher sogleich auf Distanz zur Partei gegangen sei, widerspricht Herrmann entschieden.
Martin Wagner war aber auch Vater dreier Kinder, die innerhalb von fünf Monaten beide Elternteile verloren haben. So hat er vor Kurzem seine Tochter, die eben zehn Jahre alt geworden ist, an einen Kurs zum Haare-Zöpfeln begleitet.