Antibiotika: Miss- und Gebrauch
07.12.2017 ParteienPeter Brügger | Gemeinderat Anwil, parteilos
Am 21. November beging die Schweiz den «Digitaltag». Ein wichtiger Event für Bundesräte und das Fernsehen. Aber, haben Sie gemerkt, dass vom 13. bis 19. November die Internationale ...
Peter Brügger | Gemeinderat Anwil, parteilos
Am 21. November beging die Schweiz den «Digitaltag». Ein wichtiger Event für Bundesräte und das Fernsehen. Aber, haben Sie gemerkt, dass vom 13. bis 19. November die Internationale «Antibiotika-Awareness-Woche» war? Wo waren die Bundesräte, wo das Fernsehen? Dabei denke ich, das Problem der ständig zunehmenden Antibiotika-Restistenz gefährlicher Mikroorganismen könnte uns bald mindestens so stark beschäftigen wie die Digitalisierung. Bei Infektionen mit multiresistenten Bakterien geht es direkt um Leben oder Tod und es kann jeden treffen. Verantwortlich für das zunehmende Auftreten von resistenten Erregern ist der sorglose Umgang mit Antibiotika in Vergangenheit und Gegenwart. Ärzte verschreiben zu oft Antibiotika, in der Tiermedizin werden sie zu häufig eingesetzt und in der Tiermast sogar missbraucht. Aber wieso ist dieses Verhalten schädlich und woher kommen die Resistenzen?
Antibiotika sind Stoffwechselprodukte von Schimmelpilzen. Die Pilze brauchen diese Stoffe zur Verteidigung des Nahrungsterrains und bekämpfen damit vor allem Bakterien. Einzelne Bakterien haben aber eine natürliche Resistenz und können sich deshalb umso stärker vermehren. Genauso passiert es in antibiotika-behandelten Menschen oder Tieren. Es entstehen mehr antibiotika-resistente Bakterienstämme durch Selektion der Stärksten. Dieser Vorgang bringt die Mediziner in arge Bedrängnis. Die klassischen Antibiotika wirken nicht mehr. Vielen Sepsis-Patienten kann nicht mehr geholfen werden. Es könnte sein, dass bald wieder Verhältnisse herrschen wie vor der Entdeckung der Antibiotika, wo eine Blutvergiftung meist den Tod bedeutete.
Wir zählen in der Schweiz pro Jahr 70 000 Patienten mit einer Infektion, die sie erst im Spital aufgelesen haben. 2000 davon sterben und man schätzt, dass es mehrere Hundert sind, die sich mit einem multiresistenten Keim infiziert haben und denen nichts mehr geholfen hat. Nicht umsonst nennt die Eidgenössische Fachkommission für die biologische Sicherheit die wachsende Antibiotikaresistenz von Infektionserregern «die grösste biologische Bedrohung für die Gesundheit der Bevölkerung in der Schweiz».
Die Schweiz tut zwar schon einiges gegen die bedrohliche Situation und nennt dies den «One-Health»- Ansatz. Damit will sie das Problem auf vielen Ebenen angehen: in der Humanmedizin, der Tiermedizin, der Landwirtschaft, der Nahrungsmittelidustrie und auch in der Umwelttechnologie. Das Problem der immer kritischer werdenden Resistenz von einst harmlosen Keimen und die Transformation in «Superkiller» sollte aber nicht nur ein Problem für Spezialisten und Experten bleiben. Jedermann kann sich in seinem Umfeld für eine Reduktion der Antibiotika-Anwendung einsetzen. Deshalb wäre ich froh, wenn sich nächstes Jahr am 18. November auch Bundesräte und das Schweizer Fernsehen mehr für den «Antibiotika-Tag» engagieren würden, damit «Awareness» auch Bewusstsein der Bevölkerung bedeutet.