Velomechaniker mit Herzblut
10.11.2023 ReigoldswilNach überstandener Coronakrise geht es weiter mit «Nöggis Bike Shop»
Das Auf und Ab der Bikebranche während und nach der Corona-Zeit bekam auch der gelernte Fahrrad- und Motorfahrradmechaniker Bruno Gasser, allseits bekannt als «Nöggi», zu ...
Nach überstandener Coronakrise geht es weiter mit «Nöggis Bike Shop»
Das Auf und Ab der Bikebranche während und nach der Corona-Zeit bekam auch der gelernte Fahrrad- und Motorfahrradmechaniker Bruno Gasser, allseits bekannt als «Nöggi», zu spüren. Seinem Jugendtraum Velomechaniker kann er nun weiter nachgehen.
Elmar Gächter
«Es gibt fast nichts, das man nicht flicken kann. Man findet für alles eine Lösung.» Diese Aussage kommt von einem Vollbluthandwerker, der dies seit gut 40 Jahren täglich unter Beweis stellt. Die Rede ist von Bruno Gasser, der jedoch lieber «Nöggi» genannt sein will, so wie bereits in seinen Kinder- und Jugendjahren. So heisst denn sein Fahrradgeschäft, das er seit 2007 in Reigoldswil führt, ganz logischerweise «Nöggis Bike Shop». Ungezählte Mountainbikerinnen und -biker, «Gümmeler», ebenso wie junge und ältere «einfach» Velofahrende kennen Nöggi, seit er bei Schmutz Sport in Oberdorf als Fahrrad- und Motorfahrradmechaniker-Stift seine ersten Sporen abverdiente. Während 26 Jahren hat er seinem Lehrbetrieb die Treue gehalten. Er, der seine Liebe zum Zweirad über das Töffli gefunden hat.
Nöggi schraubte bereits als Schüler an Velos herum, die er auf dem Schrottplatz gefunden hatte. «Weil mein BMX zu schmale Felgen hatte, speichte ich eine Töfflifelge drauf. Dies hat mir niemand gezeigt, ich probierte es einfach und es ging», blickt er in seine Jugend zurück. Das «Schrauben» ging für ihn auch mit dem Frisieren von Töfflimotoren einher: «Ich wollte doch nicht im Schneckentempo mit 35 km/h von meinem Wohnort Reigoldswil nach Oberdorf in die Lehre fahren. Da wäre man ja eingeschlafen», sagt er und schmunzelt. Die Polizisten hätten mehr als einmal ein Auge zugedrückt, bis auf jenen Fall, als es eine gehörige Busse absetzte und er vom beschlagnahmten Töffli praktisch nur noch den Rahmen zurückerhalten hat.
Für Nöggi kam früh nur eine Lehre infrage, die etwas mit Mechanik zu tun hatte. Im Gegensatz zur Schnupperlehre als Landmaschinenmechaniker, seinem ersten Wunschberuf, sagte ihm jene bei Schmutz Sport wesentlich besser zu. Als Fahrrad- und Mofamechaniker hatte er genau jene Tätigkeit gefunden, die nahtlos an seine Leidenschaft als Töfflifreak anknüpfte. Die Ausbildung hat er in guter Erinnerung: «Ich war stolz, von Vorgesetzten zu hören, dass sie noch keinen Lehrling gehabt hätten, der bereits nach kurzer Zeit weitgehend selbstständig arbeiten konnte.»
Nach 26 Jahren war jedoch Schluss in seinem Lehrbetrieb. Die Kündigung seines langjährigen Arbeitskollegen und der Umstand, dass im Winter vermehrt Skiservice angesagt war – für Nöggi etwas zu langweilig, wie er betont –, veranlassten ihn, an seinem Wohnort einen eigenen Fahrradshop zu eröffnen.
Verkaufszahlen brachen ein
«Ich konnte mit Vollgas starten und auch die folgenden Jahre liefen den Umsatz und die Auslastung betreffend sehr gut. Ganz besonders hat mich die Tatsache gefreut, dass ich viele Kundinnen und Kunden aus meiner vorhergehenden Tätigkeit neu in meinem Laden begrüssen durfte», so Nöggi. Dann kam Corona und löste einen Boom nach E-Bikes aus, allerdings mit dem gewichtigen Nachteil für Veloshops, auch für Nöggis, dass die Fahrzeughersteller die immense Nachfrage nicht stillen konnten. Die Zeit nach Corona war geprägt von einem Einbruch der Veloverkäufe. Für Nöggi war die Nachricht, dass ihn sein langjähriger Fabrikant seiner während vieler Jahre geschätzten Fahrradmarke nicht mehr beliefere, sehr einschneidend. «Dieser Entscheid war brutal, sowohl für meine Frau als auch für mich.» Nöggi hat, wie er betont, eine ebenbürtige Ersatzmarke gefunden und ist vor zwei Jahren in ein etwas grösseres Lokal in unmittelbarer Nähe des vorherigen umgezogen. Mit dem Verkauf von Bikes und Zubehör wie auch mit den Service- und Reparaturaufträgen ist er zufrieden. «Die Kundinnen und Kunden sind im Lauf der Jahre anspruchsvoller geworden und viele von ihnen kommen bereits mit klaren Vorstellungen in meinen Shop», sagt der Radspezialist.
Die E-Velos machen heute gegen 90 Prozent seiner Verkäufe aus, nachgefragt werden sie vom Schüler bis zum Grosi. Die neue Technik forderte auch Nöggi heraus, doch hat er auch diese gemeistert. «Du kannst zur Kundschaft nicht sagen, dass du keine Ahnung hast. Dann verlierst du sie im Handumdrehen», ist er sich bewusst.
Der Reigoldswiler bezeichnet sich selber als Schaffer und als Fachmann, bei dem jeder Handgriff sitzen muss. Er steckt jene Leidenschaft in sein Metier, die man nur als Herzblut bezeichnen kann. Nicht von ungefähr nennt er sich auf seiner Website «Herzblutmechaniker». Das Arbeiten mit den Händen ist ihm so quasi in die Wiege gelegt worden, war doch sein Vater als Schlosser tätig. Nöggi blickt zuversichtlich in die Zukunft, im Wissen, dass eine professionelle und seriöse Arbeit auch künftig gefragt und geschätzt ist.
Leidenschaftlicher Downhill-Fahrer
emg. «Nöggi» Bruno Gasser ist 59-jährig, verheiratet mit Käthy Gasser, die im Betrieb die administrative Seite und den Verkauf von Bekleidung und Zubehör betreut. Die beiden haben zwei erwachsene Kinder, eine Tochter und einen Sohn. Wenn Nöggi in seiner Freizeit nicht in seiner Werkstatt anzutreffen ist, um sich seinem Oldtimer, einem Kadett C GTE, Jahrgang 1977 zu widmen («Meine Frau sagt, ich kümmere mich fast so viel um ihn wie um sie» – O-Ton Nöggi), ist er auf Bikestrecken anzutreffen, vor allem auch in den heimischen Hügeln. Und als ehemaliger ultraschneller Töfflibueb und späterer Motorradfahrer ist es für ihn auch heute noch ein besonderer Reiz, bei Downhill-Abfahrten mit dem Bike sich den Wind um die Ohren pfeifen zu lassen.