Marienkäfer auf Blattlausjagd
19.04.2024 OrmalingenSchädlingsbekämpfung auf umweltfreundliche Art
Importierte Vierpunkt-Marienkäfer sollen Bio-Obstanlagen schützen und dabei die schädlichen Blattläuse fressen. Der Versuch wurde vor nicht allzu langer Zeit in zwei Zwetschgenund Kirschenanlagen in Aesch und ...
Schädlingsbekämpfung auf umweltfreundliche Art
Importierte Vierpunkt-Marienkäfer sollen Bio-Obstanlagen schützen und dabei die schädlichen Blattläuse fressen. Der Versuch wurde vor nicht allzu langer Zeit in zwei Zwetschgenund Kirschenanlagen in Aesch und Ormalingen gestartet. Es besteht grosse Hoffnung.
Thomas Gubler
Die Schädlingsbekämpfung im Obstbau – insbesondere nach Bio-Richtlinien – ist alles andere als einfach. Synthetische Insektizide spritzen geht bekanntlich nicht. Also muss man auf biologische Mittel oder auf Nützlinge setzen. In der Pionierzeit des biologischen Obstbaus hängten die Bauern kleine Blumentöpfe, gefüllt mit Holzwolle, an die Bäume, um den Ohrengrüblern Zuflucht zu gewähren. Diese sollten die Obstbäume schützen, indem sie den Blattläusen zu Leibe rücken.
Das taten die Ohrengrübler auch und tun es bis heute. Leider aber für Zwetschgen- und Kirschbäume etwa sechs Wochen zu spät. «Im Obstbau aber ist Timing fast alles», sagt Franco Weibel, Obstbauberater im Ebenrain-Zentrum für Landwirtschaft, Natur und Ernährung. Und da wirkt der «Gfröörli» Ohrengrübler eben zu spät.
Ähnlich ist es mit dem uns allen bekannten Zweipunkt-Marienkäfer. Durch eine neue Forschungsstudie in Deutschland entstand bei Franco Weibel aber die Idee, die Blattlausbekämpfung in den biologischen Steinobstkulturen mit frühaktiven, weniger kälteempfindlichen Marienkäfern, den sogenannten Vierpunkt-Marienkäfern, zu versuchen.
Aus Italien importiert
Nach einem aufwendigen Bewilligungsverfahren konnten die Firma Agroline in Aesch und Franco Weibel nach Ostern gemäss «Basler Zeitung» 400 Vierpunkt-Marienkäfer aus einer Nützlingszucht in Italien importieren. Dabei handelt es sich aber nicht etwa um eine fremde Gattung. Sie gehört im Gegenteil, wie die «normalen», zu den am weitesten verbreiteten Marienkäfern in Europa und ist auch hierzulande heimisch. Charakteristisch sind ihre vier roten Punkte auf den schwarzen Flügeldecken. Zu den bevorzugten Lebensräumen des nur 5 bis 7 Millimeter kleinen Vierpunkt-Marienkäfers gehören Waldränder. Von dort finden sie aber selbstständig nur schwer den Weg in die Obstanlagen.
Dass in Praxis-Obstbaubetrieben in Aesch und Ormalingen nun Marienkäfer aus Italien zum Jagdeinsatz gelangen, hat einen einfachen Grund: «Die Zuchtstation ist eben dort. Das ist das einzige wirklich Italienische an der Käferart», sagt Franco Weibel.
Bis 100 000 Blattläuse
Noch handelt es sich um einen Versuch, den das Ebenrain-Zentrum und die Bio-Control-Firma Agroline zusammen mit den beiden Obstbauern durchführen. Ein Versuch allerdings, der mit grossen Hoffnungen verbunden ist. Denn Marienkäfer sind wahre Massenvertilger von Blattläusen. Bis zu 100 000 Blattläuse soll ein Käfer im Laufe eines Sommers vertilgen können. Im gegenwärtig laufenden Versuch werden in der Zwetschgenanlage in Aesch 100 Marienkäfer und in der Kirschenanlage in Ormalingen 300 Marienkäfer «eingesetzt». Marcel Itin, Leiter des Biobetriebs in Ormalingen, möchte so seine etwa 800 Kirschbäume vor dem Lausbefall schützen, wie das «Regionaljournal» von SRF am Dienstag berichtete. Itin als Biobauer sieht die Vierpunkt-Marienkäfer als nachhaltige und nicht schädliche Methode im Kampf gegen die Blattläuse.
Die importierten Käferchen müssen die Läuse in den Anlagen auch finden. Weil die Marienkäfer in eine zu diesem Zeitpunkt karge Umwelt kommen, wo noch wenig blüht, und auch die schädlichen Blattläuse erst am Aufbauen ihrer Population sind, wird ein Trick angewendet: Die Obstbauern haben bereits vor dem Aussetztermin der Käferchen sogenannte Frühblüher-Kisten vorbereitet.
Sie füllten Erntekisten mit Blumenerde und pflanzten dort insgesamt 17 verschiedene einheimische früh blühende Staudenpflanzenarten ein. Danach platzierten sie die Kisten in ihren Obstplantagen. Die Freisetzung der Marienkäfer erfolgte direkt in diese «Blüh-Inseln», wo die Tiere sofort Nahrung in Form von Pollen und Nektar finden konnten, um sich dann wohl genährt und gestärkt auf die Futtersuche – aber auch für Vermehrungsaktivitäten – in den Zwetschgenund Kirschbäumen zu machen.
Grund zu Hoffnung
«Und tatsächlich haben die ersten Marienkäfer bereits den Weg auf die Bäume gefunden», stellt Franco Weibel zufrieden fest. Damit besteht zwar Grund zu Hoffnung, dass der Versuch erfolgreich verlaufen könnte. Eine Garantie besteht freilich nicht.
Aufschluss wird Franco Weibel irgendwann Ende Sommer haben, wenn definitiv ausgezählt werden kann, ob der Ausflug von der Box in die Anlage wirklich stattgefunden hat, und ob sich die Schäden an Bäumen in den Testanlagen von denen ohne Freilassung von Marienkäfern abheben.