Lob für die Mehrzweckhallen
12.12.2025 PolitikMichael Bürgin, Gemeindepräsident Bennwil, parteilos
Als ich das letzte Mal meinen städtischen Freund getroffen habe, liess der eine Zote über die Dichte der Mehrzweckhallen im Oberbaselbiet fallen und vermengte die Aussage sogleich mit einem ...
Michael Bürgin, Gemeindepräsident Bennwil, parteilos
Als ich das letzte Mal meinen städtischen Freund getroffen habe, liess der eine Zote über die Dichte der Mehrzweckhallen im Oberbaselbiet fallen und vermengte die Aussage sogleich mit einem historisch hanebüchenen Erklärungsversuch des russischen Angriffskriegs.
Ich war schockiert. Wie kann ein Mensch, den ich notabene gern habe, sich so in einen Rausch begeben? Mehrzweckhallen sind ein Thema, schreiendes Unrecht und Aggression ein anderes. Ich mag auch keine Hundehaltenden, die ihren in meine Waden verkeilten Hund entschuldigen mit den Worten: «Er mag keine gelben Jacken …»
Peter von Matt (1937–2025) schreibt in seinem selbst verfassten Nachruf: «Da stand ich dann lange zwischen Hammer und Amboss. Ich teilte viele Interessen der Studentenbewegung, ich war aber auch solidarisch mit meinem Chef. Es war nicht immer leicht, und ich lernte damals zum ersten Mal das kennen, was ich seither den ‹Rausch des Rechthabens› nenne: die Überheblichkeit Gleichgeschalteter gegenüber Andersdenkenden. Diese Über- heblichkeit kann rasch in Verhöhnung und Beschimpfung übergehen, und sie merkt nicht, wie inhuman sie ist, weil sie berauscht ist von der Überzeugung, unbedingt recht zu haben. Ich halte diesen Rausch des Rechthabens für einen der gefährlichsten Zustände, in welchen die Menschen verfallen können. Er führt zu politischen Katastrophen und in der Konsequenz zu den unheimlichsten Vergehen, die es gibt, zu jenen Untaten nämlich, die mit gutem Gewissen begangen werden.»
Bezüglich Mehrzweckhallen stelle ich fest, dass viele Hochkulturbesuchende keine Ahnung haben, wie wertvoll das ist, was in unseren Hallen passiert und dies belächeln. Turnerabende, Theatergruppen, Seniorenessen, Musikvereine, Gemeindeversammlungen und vieles mehr. Dies findet in renovationsbedürftiger Umgebung statt; der Vorhang schliesst nicht mehr richtig, ein Farbwechsler streikt, die Audioanlage vermag die Mikrofonphobie des Vortragenden nicht auszugleichen oder das Geschirrklappern in der Küche ist zu laut. Zudem hängt ein leichter Erinnerungsgeruch der letzten Korbballmeisterschaft in der Luft und das Bestellsystem ist noch nicht ausgereift, ganz abgesehen von der Farbe des «Kafi Luz». Und dies alles in schönen alten Guckkastenbühnen.
Hier wachsen Menschen über sich hinaus, zeigen sich von einer unerwarteten Seite oder in überraschender Kleidung. Diese Atmosphäre ist für das Zusammenleben Gold wert. Beim Turnerabend in Bennwil durfte ich wieder erleben, wie wichtig diese kulturellen Begegnungen sind. Dies wegen dem Mut der Aufführenden, dem schönen Applaus der Zuschauenden und dem gesprächigen und zuhörenden Miteinander danach.
Immerhin von der Sinnhaftigkeit der Mehrzweckhallen konnte ich meinen Freund überzeugen. Ich muss mir aber Mühe geben, dass er mein Freund bleibt. Aber ich will ja nicht dem eigenen Rausch verfallen und werde ihm so treu bleiben.
Ich wünsche Ihnen berauschende Festtage mit Krippenspielen, Weihnachtsbläserinnen und -bläsern, Glühwein und allem, was die schönen gemeindlichen Traditionen so bringen.
In der «Carte blanche» äussern sich Oberbaselbieter National- und Landratsmitglieder sowie Vertreterinnen und Vertreter der Gemeindebehörden zu einem selbst gewählten Thema.

