Ja, ich will!
29.04.2025 SissachFreie Trauungen sind im Trend – ein Porträt
Das Tauschen der Ringe ist auch bei freien Hochzeitszeremonien das wichtigste Ritual. Das sagt Linda Wälchli, die im Nebenberuf als Traurednerin gebucht werden kann. Ende Mai führt sie für das 80. Paar die Trauung ...
Freie Trauungen sind im Trend – ein Porträt
Das Tauschen der Ringe ist auch bei freien Hochzeitszeremonien das wichtigste Ritual. Das sagt Linda Wälchli, die im Nebenberuf als Traurednerin gebucht werden kann. Ende Mai führt sie für das 80. Paar die Trauung durch.
Brigitte Keller
Linda Wälchli (36) schätzt sich glücklich, sich mit Hingabe zwei Berufen widmen zu können. Auf der einen Seite ist sie Sozialarbeiterin, auf der anderen Seite, zum Ausgleich zu den oft belastenden Themen, Traurednerin. Hier steht das grosse Glück im Vordergrund. Als eine Freundin vor ein paar Jahren erzählte, dass sie Hochzeitsplanerin werden wolle, sagte sie spontan: «Dann mache ich Traurednerin.»
Die Idee liess sie nicht mehr los, und sie fing an, nach einer entsprechenden Weiterbildung zu suchen. «Es fiel mir damals wie Schuppen von den Augen, dass mir das gefallen würde», erinnert Wälchli sich, denn zu Anfang ihrer Berufstätigkeit hätte sie sich auch schon einmal für kurze Zeit den Beruf der Zivilstandsbeamtin vorstellen können.
Jetzt sollte es Traurednerin werden. Und den Gedanken noch kaum zu Ende gedacht, wurde sie auf der Stelle von einer Freundin für deren geplante Hochzeit gebucht. Das war vor rund sieben Jahren. Damals war Linda Wälchli noch im Bernbiet zuhause, seit rund anderthalb Jahren wohnt sie zusammen mit ihrem Lebenspartner in Sissach. Dann ging es Schlag auf Schlag. Sie absolvierte die Ausbildung zur Traurednerin und startete mit ihrem Angebot und der eigenen Website. Freie Trauungen wurden immer populärer, und bald flatterten Wälchli Anfragen aus der ganzen Schweiz ins Haus.
«Bereits im ersten Jahr durfte ich sechs Trauungen durchführen», sagt Wälchli. Später wurden es gar bis zu 16 Trauungen pro Jahr. «Da war ich in der warmen Jahreszeit fast jedes Wochenende unterwegs. Jetzt nehme ich noch fünf Anfragen pro Jahr an.» Die fünf Termine für dieses Jahr sind vergeben, bereits nimmt sie Anfragen für 2026 entgegen.
Liebesgeschichte erzählen
Wenn eine Anfrage bei Linda Wälchli eintrifft und der geplante Hochzeitstermin in ihren Zeitplan passt, dann vereinbart sie ein Kennenlerngespräch. Wenn sich die Brautleute für Wälchli als Traurednerin entscheiden, bekommen sie anschliessend den entsprechenden Vertrag zugestellt und ein Planungsgespräch wird abgemacht. «Das Brautpaar erzählt mir seine Liebesgeschichte, also wie es zueinander gefunden hat.» Die Brautleute bekommen zudem einen Fragebogen, mit dem sie jeweils Fragen zum Partner respektive zur Partnerin beantworten, wie: «Wann hast du gewusst, dass sie deine Partnerin respektive er dein Partner fürs Leben ist?» Oder, mit einem Augenzwinkern: «Was nervt dich am meisten an ihr respektive ihm?»
«Danach ziehe ich mich zurück in mein stilles Kämmerlein und schreibe eine passende Trauung, eine Kombination aus Tiefgang, Romantik und Humor», erzählt Linda Wälchli weiter. Einzelne Brautpaare hätten bereits konkrete Vorstellungen, welche Elemente und Rituale darin enthalten sein sollen, die meisten Paare seien jedoch froh, wenn sie von Wälchli beraten werden. «Bei einer freien Trauung ist nichts vorgegeben, die Paare sind vollkommen frei», sagt sie. Die meisten wünschten sich aber nach wie vor klassische Elemente wie das gegenseitige Geben des Ja-Worts, das Anstecken der Ringe und den anschliessenden Kuss.
Mehr Abwechslung kommt bei den Örtlichkeiten für die Zeremonien ins Spiel. «Ich habe schon Trauungen im Wald durchgeführt, wo auf Baumstämmen und Teppichen gesessen wurde. Oder auf Strohballen in einem verträumten Maisfeld in Herzform. Auch in toll dekorierten Scheunen auf Bauernhöfen, in wunderschönen Schlossgärten oder in romantischen und eleganten Hochzeits-Locations. Geschwitzt wie verrückt habe ich auch schon, als eine Hochzeit in einer bekannten Hochzeitslocation in einem Gewächshaus stattgefunden hat», erzählt Wälchli. Einmal hätten sie im Wallis sogar in eine Kirche ausweichen dürfen, falls es geregnet hätte.
Kommt ein Ring geflogen
Pleiten, Pech und Pannen gab es bisher noch keine dramatischen. «Es hat noch nie jemand ‹Nein› gesagt und auch in Ohnmacht ist noch nie jemand gefallen.» Einmal sei wegen eines Defekts ein Mikrofon ausgefallen. Doch glücklicherweise habe der Verantwortliche vor Ort sofort einen Ersatz bereitgestellt. Mehr lustige Anekdote als Panne sei ein Erlebnis, als einmal das Gottemeitli der Braut die Ringe nach vorne bringen sollte. Als die Braut die Arme ausbreitete, um das Mädchen in Empfang zu nehmen, hätte dieses vor lauter Euphorie und Übermut die Ringe ins Publikum geworfen.
Linda Wälchli bereitet sich immer sehr akribisch auf die Trauungszeremonie vor. Sie stellt sich aufgrund des Brautpaares vor, wie eine Hochzeitsgesellschaft voraussichtlich agieren wird. Manchmal geht es sehr ruhig und besinnlich zu. Daneben gibt es auch Gesellschaften, die anfeuern und klatschen. «Alle Stimmungen sind denkbar, es kommt immer auf die Geschichte und Wünsche des Brautpaares an.»
Am Tag der Hochzeit ist Wälchli mindestens 1 Stunde und 15 Minuten vor Beginn vor Ort. Nach der Kontrolle der Technik und letzten Absprachen begrüsst sie das Brautpaar und «fühlt den Puls». Sicherheitshalber schreibt Linda Wälchli die gesamte Zeremonie komplett auf, «falls ich einmal einen Blackout hätte», sagt sie. Einen solchen hatte sie aber noch nie, und glücklicherweise musste auch noch nie eine Kollegin für sie einspringen.
Inzwischen sind ihre langjährige Erfahrung als Traurednerin und ihr spezifisches Wissen als ausgebildete Sozialversicherungsfachfrau auch bei der «Talentschmiede für Zeremonien» sehr gefragt. Sie unterrichtet dort seit Kurzem den Bereich «Sozialversicherungen für Selbstständige» mit einem kleinen Pensum als Dozentin.
Ob klassisch in der Kirche oder freie Trauung: Eine Garantie auf den Bund fürs Leben gibt es bei beiden Varianten nicht. Von einer Handvoll Paaren, die sie getraut hat, weiss Linda Wälchli, dass sie heute nicht mehr zusammen sind. «Es gibt aber ganz viele, bei denen ich denke, dass sie für immer zusammenbleiben werden», ist sie überzeugt. «Ich glaube nach wie vor an die Romantik und die grosse Liebe.»