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15.04.2025 SissachInformationsabend zu sexueller Belästigung
Wie erkenne ich sexuelle Belästigung – und wie kann ich reagieren? Diese und weitere Fragen wurden an einem öffentlichen Abend der Fachstelle Gleichstellung in Sissach diskutiert.
Wendy Maltet
...Informationsabend zu sexueller Belästigung
Wie erkenne ich sexuelle Belästigung – und wie kann ich reagieren? Diese und weitere Fragen wurden an einem öffentlichen Abend der Fachstelle Gleichstellung in Sissach diskutiert.
Wendy Maltet
Noch immer ist sexuelle Belästigung Alltag – sei es im öffentlichen Raum, am Arbeitsplatz oder in digitalen Kontexten. Umso wichtiger ist Aufklärung. Am 10. April lud die Fachstelle für Gleichstellung von Frauen und Männern des Kantons Baselland zu einem Informationsabend in Sissach ein. Unter dem Titel «Lustig, lästig, stopp!» wurde das Thema aus verschiedenen Blickwinkeln beleuchtet.
Referentin des Abends war Iris Graf, Leiterin der Fachstelle für Gleichstellung, die ihren Vortrag in drei Teile gliederte: sexuelle Belästigung im öffentlichen Raum, am Arbeitsplatz sowie häufige Mythen und Aussagen rund um das Thema. Im ersten Teil ging Graf auf die Definition sexuelle Belästigung ein. Diese äussere sich in Worten, Gesten, Blicken oder körperlichen Übergriffen und sei stets mit einem unguten Gefühl und einer Grenzüberschreitung verbunden. Besonders betroffen seien junge Menschen in weniger mächtigen Positionen.
Zwei von drei Frauen betroffen
Statistiken aus der Schweiz zeigen: Fast zwei Drittel der Frauen über 16 haben bereits unerwünschte Berührungen erlebt. Mehr als die Hälfte dieser Vorfälle ereignen sich im öffentlichen Raum. Zunehmend verlagere sich das Problem auch ins Internet, so Graf.
Mit dem Publikum wurden Möglichkeiten diskutiert, wie man als Zeugin oder Zeuge einer solchen Situation eingreifen kann – etwa durch das gezielte Ansprechen der betroffenen Person («Kennst du mich nicht von irgendwoher?»), durch eine bewusste Unterbrechung der Situation oder durch Nachfragen, ob alles in Ordnung sei.
Iris Graf empfahl, nach dem «Ampelprinzip» vorzugehen: Bei «Grün» (keine Gefahr) ist eine Einmischung problemlos möglich. Bei «Orange» (Unsicherheit) sollte eine Einmischung vorsichtig abgewogen werden. Bei «Rot» (Gefahr) soll Hilfe geholt werden, das heisst, es sollen andere Personen einbezogen oder die Polizei verständigt werden.
Graf rät, zuerst die betroffene Person direkt anzusprechen, bevor man sich an offizielle Stellen wendet. «Nehmen Sie Betroffene ernst», appellierte sie. Nicht ernst genommen zu werden, sei für viele Betroffene eine zusätzliche Belastung. Auch die Reflexion des eigenen Verhaltens sei entscheidend für ein respektvolles Miteinander im öffentlichen Raum.
Arbeitgebende in Verantwortung
Im zweiten Teil des Abends thematisierte Graf sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz – ein Bereich, der in der Schweiz rechtlich im Gleichstellungsgesetz verankert ist. Arbeitgebende sind verpflichtet, präventive Massnahmen zu treffen und bei Vorfällen zu handeln. «Oft ist diese Verantwortung nicht genügend bekannt», so Graf. Führungspersonen müssten das Thema aktiv ansprechen, um ein offenes Klima zu schaffen. Auch Gerüchte seien ernst zu nehmen und abzuklären. Betroffenen riet sie, Belästigungen zu dokumentieren und Beweismaterial – etwa Nachrichten oder E-Mails – aufzubewahren. Falls der Arbeitgeber untätig bleibe, könne man sich an die Schlichtungsstelle wenden.
Im letzten Teil nahm Graf gängige Aussagen unter die Lupe – etwa: «Sie hat es provoziert», «Das war nicht so gemeint» oder «Das ist bloss eine Falschanschuldigung». Zu letzterem betonte sie, dass Falschanschuldigungen sehr selten seien. Sexuelle Belästigung könne allen Menschen passieren – unabhängig von Geschlecht, Kleidung oder Alter – und sei nie gerechtfertigt.
Verunsicherung an Schulen
In der abschliessenden Diskussionsrunde zeigte sich das Publikum engagiert. Besonders das Thema «sexuelle Belästigung an Schulen» warf Fragen auf: Darf man Kinder noch trösten oder umarmen? Oder: Wie gehen Männer mit der Angst vor falschen Anschuldigungen um?
Auch dies ist ein Bereich, der viele beschäftigt, wie die offenen Wortmeldungen und geteilten Erfahrungen zeigten. Iris Graf ermutigte dazu, Unsicherheiten nicht zu verdrängen, sondern das Gespräch zu suchen – im sozialen Umfeld, im Betrieb oder mit Fachstellen.