Erinnerungen und Sagen neu erzählt
09.12.2025 WaldenburgHanspeter Gautschin stellte sein neustes Buch «Erlebtes und Erzähltes – Band 2» vor
Mit dem zweiten Band von «Erlebtes und Erzähltes» lässt Hanspeter Gautschin vergangene Zeiten im Waldenburgertal aufleben – mit warmherzigen Erinnerungen, ...
Hanspeter Gautschin stellte sein neustes Buch «Erlebtes und Erzähltes – Band 2» vor
Mit dem zweiten Band von «Erlebtes und Erzähltes» lässt Hanspeter Gautschin vergangene Zeiten im Waldenburgertal aufleben – mit warmherzigen Erinnerungen, markanten Dorffiguren und Sagen, die er frisch und bisweilen schaurig neu erzählt.
Lorenz Degen
Der Pfarrhauskeller Waldenburg war am vergangenen Donnerstagabend bis fast auf den letzten Platz besetzt, als Hanspeter Gautschin (69) die Bühne betrat. Der Kulturvermittler aus Oberdorf hat soeben einen zweiten Band von «Erlebtes und Erzähltes» herausgegeben, worin er weitere Geschichten aus dem Waldenburgertal versammelt. Wie der Titel besagt, umfasst das Buch einerseits persönliche Erinnerungen aus seiner Kinder- und Jugendzeit, andererseits gesammelte Märchen und Sagen.
Zum Einstieg betrachtete Gautschin das Emmental, wo er als Kind oft seine Ferien verbrachte. Dieses «stille Land, das sich nicht aufdrängt», hat es dem Waldenburgertaler angetan. Nur seinen Käse mochte er nicht: «Mir schien der Tilsiter immer feiner!» Musikalisch begleitete Thomas Aeschbacher die Vernissage mit Emmentaler Klängen am «Langnauerli», der Wiener Orgel und am «Schwyzerörgeli». Sein virtuoses Spiel ohne Noten sorgte für angenehme Denkpausen zwischen den Textpassagen.
Harte Fabrikarbeit
Das Publikum raunte, als Gautschin über ehemalige Oberdörfer Dorforiginale sprach, wie den «Chole-Gysin» oder den «Badhanse Karli». Letzterer wohnte in einem Bauernhaus und galt als Sammler von allem, «was man eines Tages vielleicht noch brauchen könnte», erinnerte sich der Autor. Ein Badezimmer habe er, anders als sein Dorfname vermuten liesse, aber Zeit seines Lebens kaum von innen gesehen. «An seinem Geruch erkannte man ihn von Weitem.» Karli arbeitete in einer Fabrik in Waldenburg, allerdings mit recht eigenwilligen Arbeitszeiten: «Er erschien zur Arbeit, wenn ihm danach war, meistens am Nachmittag, und blieb dann bis spät in die Nacht. Während Stunden tüftelte Karli vor sich hin und wenn er dann lautstark polternd durch das Dorf zog, wussten alle, nun ist Karli wieder daheim.»
Weiter berichtete Gautschin über das grundsätzliche Verhältnis zur Arbeit am Beispiel seines Vaters, der «in die Bude» ging und dort als Betriebsschreiner allerhand Frustrierendes erlebte. Nach dem Abendessen hingegen verbrachte er vergnügte Stunden in der «Boutique», wie seine kleine Werkstatt hiess, und schreinerte dort nach Herzenslust. Mit der Zeit bekam Vater Gautschin auch kleine Aufträge; etwa, ein Tischbein zu flicken oder einen Schrank zusammenzubauen. Alle diese Arbeiten übte sein Vater gerne aus, im Gegensatz zu jener in der Fabrik, wo er Termindruck, arroganten Chefs und einem strengen Regelwerk unterworfen war.
Hanspeter Gautschin richtete seinen Blick auch auf andere Berufsgruppen, etwa Bauern oder Handwerker, die «in den Stall» oder «in die Werkstatt» gingen und dabei eine Arbeitsfreude verspüren würden. «Angestellte hingegen haben durch den ihnen oft fremden Arbeitsort nie einen so engen Bezug zu ihrer Arbeit», resümierte er und plädierte dafür, dass sich alle Berufstätigen so tief mit ihrem Arbeitsort verbinden, wie es Handwerker und Bauern täten.
Gruseliges
Sagen beschäftigen den ehemaligen Leiter des «Hauses der Volkskultur» in Burgdorf ebenfalls. Sein Primarlehrer Buser habe ihn in diese Welt eingeführt, doch seien die Überlieferungen im Baselbieter Sagenbuch alle geglättet. Gautschin hingegen bevorzugt gruselige Sagen, daher hat er jene von der Seilerin aus Waldenburg noch selbst dramatischer gestaltet und seinem Publikum vorgetragen.
Die alte Seilerin von Onoldswil – der früheren Bezeichnung von Oberdorf – galt als eine streitbare Frau, die immer das letzte Wort haben wollte. Eines Tages brach sie im Seilerladen tot zusammen und wurde auf dem Friedhof St. Peter beerdigt. Doch Fuhrleute hörten nachts ein Klopfen aus dem Friedhof, weshalb das Grab nach einer Weile wieder geöffnet wurde. Und tatsächlich fand man die Seilerin bäuchlings liegend, mit Kratzspuren an der Innenseite des Sargdeckels. «Seither wird der Friedhof nach Einbruch der Dunkelheit gemieden, auch hört man eine scharfe Stimme im Wind, jene der Seilerin, die das letzte Wort haben will», berichtete Gautschin der erschauderten Zuhörerschaft.
Zeugnisse des 20. Jahrhunderts
«Erlebtes und Erzähltes – Band 2» ist in zweifacher Hinsicht bedeutsam. Einerseits bewahrt der Verfasser wieder eine Reihe von Personen und Anekdoten aus Oberdorf und Umgebung vor dem Vergessen, was vor allem für jüngere Generationen wertvoll ist. Hier schreibt ein Zeuge des 20. Jahrhunderts und hält Lebensbilder und Ereignisse fest, die schriftlich sonst nicht überliefert sind (wie die Protestkundgebung bei der Revue Thommen, die Gautschin indirekt initiierte). Das bekräftigt auch der Untertitel: «Vom Leben, wie es war – Geschichten, die bleiben». Anderseits befasst sich Gautschin mit volkstümlichen Themen, die er in einer moderneren Fassung neu erzählt. So werden Sagenstoffe zeitgenössisch beleuchtet, ohne dass diese dabei ihren Kern verlieren.
Bei einem reichhaltigen Apéro in der Pfarrscheune endete die Veranstaltung, an dem der Verfasser seine Bücher signierte. Erhältlich sind diese in der Papeterie Martin Weber in Oberdorf oder über die Website www.gautschin.com.

