Der «Migros-Wagen» kommt nach Hause
15.04.2025 Bezirk Sissach, Region, Kultur, Gesellschaft, SissachDie letzte Fahrzeug-Generation wurde von der Frech-Hoch AG gefertigt
Die Migros ist anlässlich ihres 100-Jahre-Jubiläums mit reaktivierten Verkaufsbussen aus den 1980er-Jahren «on Tour». Gebaut wurden diese vom ehemaligen Sissacher Fahrzeugbauer Frech-Hoch. ...
Die letzte Fahrzeug-Generation wurde von der Frech-Hoch AG gefertigt
Die Migros ist anlässlich ihres 100-Jahre-Jubiläums mit reaktivierten Verkaufsbussen aus den 1980er-Jahren «on Tour». Gebaut wurden diese vom ehemaligen Sissacher Fahrzeugbauer Frech-Hoch. Frühere Mitarbeiter erinnern sich noch gut an diesen speziellen Auftrag.
Christian Horisberger
Um ihre Kundinnen und Kunden zu erreichen, setzte die Migros bereits zu ihren Anfangszeiten auf fahrende Läden. Die ersten fünf Verkaufswagen von 1925 hatten anfangs nur sechs Produkte im Angebot: Hörnli, Kaffee, Reis, Zucker, Seife und Kokosfett. In den 1960er-Jahren setzte das Unternehmen auch auf Selbstbedienungswagen. Dieses Angebot hielt die Migros noch bis in die 2000er-Jahre aufrecht.
Zu ihrem 100-jährigen Bestehen tourt die Migros nun unter dem Titel «Merci Bus» mit zwei restaurierten Verkaufswagen durch die Schweiz. Einer dieser Busse wird gemäss Fahrplan morgen in Gelterkinden (10 bis 13 Uhr) und in Sissach (14 bis 19 Uhr) Halt machen, in Bubendorf am Donnerstag (10 bis 13 Uhr). Mehr nostalgische Gefühle als woanders dürfte der Verkaufswagen in Sissach wecken. Denn wie der Schriftzug am Kühlergrill des Fahrzeugs zeigt, wurde er von der Sissacher Firma Frech-Hoch AG gebaut.
Exklusiv für die Migros entwickelte und produzierte Frech-Hoch in den 1980er-Jahren die fünfte und letzte Generation der Migros-Verkaufsbusse. Als Abteilungsleiter hat Felix Rohrer aus Wegenstetten massgeblich an diesem Auftrag mitgewirkt. Der 79-Jährige erinnert sich, dass er für vier Wochen nach Norwegen geschickt wurde, um dort in das System eingeführt zu werden, mit dem das «Gerippe» für die Spezialfahrzeuge zusammengefügt wurde. Um Gewicht zu sparen, sei weitgehend Aluminium verarbeitet worden, und die Bauteile habe man nicht wie üblich verschweisst, sondern verschraubt.
Stückpreis 430 000 Franken
Die Chassis für die Verkaufswagen stammten aus Wetzikon (siehe Kasten). Eingekauft wurden zudem die Kühlgeräte, die auch von externen Spezialisten eingebaut wurden. Ansonsten erfolgte die gesamte Teileproduktion und Montage der Fahrzeuge bis hin zur Lackierung durch die Frech-Hoch AG in Sissach. Der Bau eines einzelnen Busses hat laut Rohrer rund zwei Monate gedauert.
Als Abteilungsleiter für den Busund Gondelbahnkabinenbau von 1981 bis 1988 erinnert sich auch Guido Fischer (71) aus Ormalingen noch gut an den Migros-Auftrag. Frech-Hoch habe die damalige fünfte Generation der Verkaufsbusse gemeinsam mit der Migros entwickelt und exklusiv gefertigt. Ab 1984 wurden sie eingesetzt. Im Durchschnitt seien pro Jahr wohl drei bis vier Fahrzeuge ausgeliefert worden, zu einem Stückpreis von 430 000 Franken, wie die Medienstelle der Migros angibt.
Wie viele Verkaufswagen die Frech-Hoch AG baute, vermag der Ingenieur Guido Fischer nicht zu sagen. Auch die Migros nennt keine konkrete Zahl. Hingegen kann sie Angaben zur Gesamtzahl der über die Jahre eingesetzten Fahrzeuge machen. So war 1965 mit 144 Verkaufsbussen der Höchststand erreicht. Bis zum Jahr 1990 ging die Zahl kontinuierlich auf 100 zurück.
Ab 1995 setzte sich der Abbau – nun stark – fort, bis 2000 nur noch eine Handvoll Busse übrig blieb. Der letzte wurde 2007 von der Strasse genommen.
Fischer denkt gerne an den Auftrag der Migros zurück. «Das Konzept der Migros, so viele, teils zu kühlende Produkte auf so wenig Raum unterzubringen, war ausgeklügelt.» Auch die Gespräche mit Migros-Vertretern bei der Entwicklung der Fahrzeuge habe er in sehr guter Erinnerung. Da habe er auch erfahren, dass die Busse in erster Linie als Marketing-Instrumente dienen sollten: «Die Menschen in den kleineren Dörfern sollten an die Migros-Produkte gewöhnt werden, damit sie für den Wochenend-Einkauf dann auch in die Migros-Filiale gingen. Es ging um Kundenbindung.»
Im Verkehrshaus ausgestellt
Etwas geschaffen zu haben, das im ganzen Land wahrgenommen wird, erfülle ihn mit Stolz, sagt Fischer. Nicht nur das: Seine Familie habe damals auch zur regelmässigen Kundschaft des «Migros-Wagens» gehört, der in Ormalingen zweimal in der Woche Halt gemacht habe.
Felix Rohrers Bild vom «Migros-Wagen» hat sich mit den Jahren gewandelt: In der Produktionshalle sei es ein Auftrag wie jeder andere gewesen. Als er aber viele Jahre später mit einem Enkelkind in Luzern das Verkehrshaus besuchte und einen «Migros-Wagen» mit dem «Frech-Hoch»-Schriftzug auf dem Kühlergrill entdeckte, habe er sich gefreut, dem Enkelkind zeigen zu können, «was der Grossvater gebaut hat».
Und wenn der Migros-Wagen morgen in Sissach und Gelterkinden Halt macht, wird Felix Rohrer es sich nicht nehmen lassen, vorbeizuschauen, um noch einmal in Erinnerungen zu schwelgen. Es wäre kein allzu grosser Zufall, wenn er dort seinen früheren Chef aus Frech-Hoch-Zeiten antreffen würde. Denn auch Guido Fischer hat sich den Mittwoch in seiner Agenda dick angestrichen.
Fünf Migros-Wagen-Generationen
vs. Von 1925 bis in die 1990er-Jahre hat die Migros fünf Verkaufswagen-Typen bauen lassen. Folgende Informationen hat die Migros für die «Volksstimme» in ihrem Archiv zu Tage gefördert.
1. Generation: Ford T, Zwei-Achser, eine Tonne Nutzlast (ab 1925).
2. Generation: Ford A, «Der Einbahnwagen», Drei-Achser, 2,5 Tonnen Nutzlast (ab 1927).
3. Generation: Ford B (ab 1932), International (ab 1937), Bedford (ab 1945), Chevrolet (ab 1946), Magirus-Deutz (ab 1949), Mercedes Benz (ab 1956). Während des Zweiten Weltkriegs setzte die Migros Zürich Fahrzeuge der Marken Saurer (mit Methangas), Opel-Blitz, International, Mercedes-Benz ein.
4. Generation: Magirus-Deutz Saturn und Mercedes Benz.
5. Generation: Im Jahr 1984 teilte die Generaldirektion des Migros Genossenschaftsbunds mit, dass die bisherigen Migros-Verkaufswagen durch neue Sonderanfertigungen ersetzt werden sollen. Das Chassis stammte aus dem Werk Wetzikon der Nutzfahrzeuggesellschaft Arbon & Wetzikon, einer Tochter von Mercedes, Saurer und FBW. Bei den Aggregaten (Mittelunterflurmotor, Automatikgetriebe, Achsen und Lenkung) handelte es sich um bewährte Technik der Daimler Benz AG. Der Wagenaufbau stammte von der Firma E. Frech-Hoch AG in Sissach.
Frech-Hoch AG: Qualität und Vielseitigkeit
ch. Während mehr als 100 Jahren baute die Sissacher Frech-Hoch AG Spezialfahrzeuge im Bereich Transport und Verkehr. Gegründet wurde das Unternehmen 1899 als Wagnerwerkstätte von Emil Frech-Hoch. Mit der beginnenden Motorisierung erfolgte die Umstellung der Wagnerei auf den Carrosseriebau, und schon 1927 wurde der erste Autobus ausgeliefert, wie der Firmenchronik zu entnehmen ist. In der Folge verliessen jährlich Hunderte Nutzfahrzeuge unterschiedlichster Bauart das Fabrikareal beim Sissacher Bahnhof.
Das Spektrum der Kunden und der gelieferten Fahrzeuge war breit: Für die Basler Verkehrsbetriebe baute Frech-Hoch Gelenkbusse, für die PTT Postautos und für diverse Car-Unternehmen Reisecars. Die Bally orderte Kleinbusse, mit denen ihre Mitarbeitenden in die Fabriken in Schönenwerd oder Gelterkinden chauffiert wurden; die Schweizer Armee orderte in Sissach unterschiedliche Fahrzeugtypen.
Kühlfahrzeuge baute Frech-Hoch unter anderen für das Transportunternehmen Früchtetrans oder für Coop und die Migros. Ab den 1980er-Jahren wurden in Sissach zudem Seilbahn-Gondeln produziert. Dies waren auch die goldenen Jahre der Firma mit bis zu 150 Mitarbeitenden.
Dass zahlreiche renommierte Unternehmen auf Frech-Hoch setzten, sei der massgeschneiderten Ausführung, der hohen Qualität und der Langlebigkeit der Fahrzeuge zu verdanken gewesen, sagt der frühere Abteilungsleiter Guido Fischer. Dafür seien die Kunden auch bereit gewesen, einen etwas höheren Preis zu bezahlen als bei der Konkurrenz.
Jahre nachdem das Familienunternehmen in fremde Hand gegeben worden war, wurde 2015 die Produktion der in die beiden Sparten Kühlwagen sowie Anlagenund militärischer Fahrzeugbau aufgeteilten Frech-Hoch in Sissach eingestellt und nach Pratteln und Seon (AG) verlegt. Das Firmenareal in Sissach befindet sich heute im Eigentum der Firma Rofra.