«Wenn alle gehen, beginnt mein Job richtig»
28.07.2023 Fussball, Sport«Volksstimme»-Kolumnistin Seraina Degen über ihre Arbeit als SRF-Journalistin an der Frauen-WM
Am Sonntag bestreitet die «Nati» ihr letztes Spiel der WM-Gruppenphase. Ein Unentschieden – und je nach Resultat der Gegnerinnen auch eine Niederlage – reicht für den Einzug in den ...
«Volksstimme»-Kolumnistin Seraina Degen über ihre Arbeit als SRF-Journalistin an der Frauen-WM
Am Sonntag bestreitet die «Nati» ihr letztes Spiel der WM-Gruppenphase. Ein Unentschieden – und je nach Resultat der Gegnerinnen auch eine Niederlage – reicht für den Einzug in den Achtelfinal. SRF-Journalistin Seraina Degen, die ursprünglich aus Niederdorf kommt, ist überzeugt, dass die Schweizerinnen eine Runde weiterkommen. Und sie erzählt von ihrem Alltag in «Down Under».
Luana Güntert
Seraina Degen, Sie begleiten als SRF-Journalistin die «Nati» an der Fussball-Weltmeisterschaft in Neuseeland und Australien. Wie sieht Ihre Vorbereitung in «Down Under» an Spieltagen aus?
Seraina Degen: Unspektakulär, sie spielt sich vor allem in meinem Kopf ab. Und beginnt wegen der Zeitverschiebung bereits in der Nacht davor, wenn ich mit dem Produzenten in Zürich telefoniere, um die Sendung zu besprechen. Bei mir in Neuseeland ist es später Abend, in der Schweiz Mittag. Am Spieltag selbst bereite ich früh meine Moderationen vor, gehe Themen und Abläufe durch und notiere mir Fragen. Solch ein Grundgerüst gibt mir Sicherheit für die Live-Momente. Ich notiere nur Stichworte, nie ganze Texte. Denn vor der Kamera spreche ich spontan. Mein Tagesablauf richtet sich nach der Anspielzeit. Die Partie gegen Norwegen begann erst um 20 Uhr – ein langer Tag. Dafür hatte ich am Nachmittag Zeit für eine Runde Sport im Hotel-Gym.
Wie sieht Ihre Arbeit vor Ort im Stadion aus?
Ich bin für die Interviews zuständig. Am Dienstag nahmen mein Kameramann und ich dreieinhalb Stunden vor dem Kickoff den Shuttle ins Stadion. Als Fernsehjournalistin muss ich früh vor Ort sein, um zu wissen, was sich wo befindet. Für die Position am Spielfeldrand, die «Pitchside Position», braucht es eine spezielle Akkreditierung, und wir müssen den Seiteneingang kennen, denn wir dürfen nicht vor der Bank des Schweizer Teams durchstolzieren. Wir stellen dann Kamera und Licht auf und testen die Verbindung nach Zürich. Am Dienstag hatte ich schon um 18.15 Uhr die erste Schaltung, in der Pause dann ein Gespräch mit Marion Daube, der Direktorin Frauenfussball des Schweizer Verbands. Wenn die Fans nach Hause gehen, beginnt meine Arbeit so richtig und ich bin echt gefordert, wenn Trainerin und Spielerinnen zum Interview kommen. Zwei Stunden nach Spielschluss waren wir zurück im Hotel und liessen den Abend an der Bar ausklingen.
Dürfen Sie mitreden, welche Spielerin nach der Partie interviewt wird oder welche Hintergrundgeschichte für die Sendung rund um das Spiel produziert wird?
Um die 75. Spielminute entscheiden der Produzent in Zürich und ich, welche Spielerinnen wir nach dem Match interviewen wollen. Für Hintergrundgeschichten kann ich selbst Themen inputten und diese meist auch umsetzen. Da wir an der Weltmeisterschaft mit den welschen und den Tessiner Kollegen eng zusammenarbeiten und deshalb mehr koordiniert werden muss, bündelt eine Delegationsleiterin alle Anfragen und gibt sie an den SFV weiter. Meist werden unsere Wünsche erfüllt.
SRF überträgt alle Spiele live. Arbeiten Sie auch an Beiträgen und Live-Sendungen für Spiele der anderen Nationen mit?
Noch nicht. Solange die «Nati» dabei ist, sind mein Kameramann und ich als Zweierteam nur für das Vor- und Live-Programm der Schweizer Spiele und das SRF-WM-Magazin zuständig, das abends ausgestrahlt wird. Wenn die Schweizerinnen ausscheiden, fliegt der grösste Teil der Delegation zurück. Der Kameramann und ich bleiben aber bis zum Final und berichten dann auch über die anderen Nationen, die noch im Turnier sind.
Was machen Sie an spielfreien Tagen?
Wir produzieren Hintergrundgeschichten und Reportagen und besuchen Medienkonferenzen der Schweizerinnen. Die Trainings sind für Medien jeweils während 15 Minuten offen. Von einem spannenden Arbeitstag in Neuseeland berichte ich übrigens auch in meiner heutigen Kolumne (lacht).
SRF postet viele Geschichten über die Nationalspielerinnen auf ihrem Instagram-Kanal «SRF Sport». Produzieren Sie auch Content für Social Media?
Nein, zum ersten Mal mache ich nur Inhalte fürs Fernsehen, da neu auch ein Kollege der Multimedia-Redaktion vor Ort ist. Er schreibt Beiträge für die SRF-Sport-App, fotografiert und filmt mit dem Handy. Welche Kanäle er bedient, kann ich nicht sagen, da ich selbst keinen Instagram-Account habe. Ich weiss nur, dass er sehr aktiv ist und viel postet. An der Europameisterschaft in England im vergangenen Jahr war niemand von Multimedia dabei, deshalb habe ich Inhalte nach Zürich geliefert, die dort verarbeitet wurden. Dass ich mich diesmal auf die TV-Arbeit konzentrieren kann, ist eine grosse Entlastung.
Was wäre das grösste Missgeschick, das Ihnen in einem Interview passieren könnte?
Falsche Namen oder Zahlen zu nennen, wäre unangenehm. Live ist mir das zum Glück noch nie passiert. Aber kürzlich verwechselte ich in einem aufgezeichneten Interview mit der Nationaltrainerin etwas und war froh, dass Inka Grings mich auf den Fehler aufmerksam machte.
Wie gehen Sie mit der Zeitverschiebung um? In Dunedin ist die Zeit zehn Stunden voraus ...
Ich wurde vom Jetlag verschont. Punkto Zeitunterschied ist unsere Arbeit recht entspannt. Denn wenn wir hier tagsüber arbeiten und das Rohmaterial nach Zürich schicken, ist in der Schweiz tiefe Nacht und noch niemand im Studio. Dies nimmt uns etwas den Zeitdruck.
Wie schätzen Sie die Chancen der Schweiz ein?
Ich denke, dass sie gegen Neuseeland nicht verlieren und den Achtelfinal erreichen werden. Was danach passiert, werden wir sehen.
Wie nehmen Sie die Zusammenarbeit mit der Frauen-«Nati» wahr?
Sehr angenehm. Ich begleite das Team schon lange und kenne gewisse Spielerinnen seit mehr als zehn Jahren. Das schafft eine gute und wichtige Vertrauensbasis. Dass rund um das Frauen-Nationalteam stetig alles grösser und professioneller wird, merken wir schon auch. An der Europameisterschaft im vergangenen Jahr konnten wir beispielsweise noch im Teamhotel filmen und Porträts drehen. In diesem Jahr ist das nicht möglich. Diese Regeln des SFV müssen wir akzeptieren. Aber als Medienschaffende vor Ort würde ich natürlich gerne mehr persönliche Geschichten umsetzen.
Wie viel sehen Sie von Neuseeland und wie erleben Sie diese spezielle Dienstreise?
Ich geniesse jeden Tag, den ich hier arbeiten darf – auch wenn es zuweilen lange Tage sind und es winterlich kalt ist. Freie Tage gibt es keine, es ist immer etwas los. Doch es kommt vor, dass wir Mitte Nachmittag Drehschluss haben und noch etwas unternehmen können, zum Beispiel eine Tour an den Strand zu den Pinguinen und Seehunden. Für eine Schaltung waren wir auch einmal an der Strand-Promenade in der Stadt. Das ist zwar Arbeit, fühlt sich an einem solch schönen Ort aber gar nicht so an.