AUSGEFRAGT | NOEMIE KELLER, PROGRAMMSCHAFFENDE VON «RADIO X»
21.04.2023 Basel, Wintersingen, Kultur«Die Stimme kann Bilder im Kopf erzeugen»
Der Basler Sender Radio X feiert morgen sein 25-Jahre-Jubiläum. Die 25-jährige Noemie Keller, die einen Teil ihrer Kindheit und Jugend in Wintersingen verbrachte, ist Redaktorin und Moderatorin.
Andreas ...
«Die Stimme kann Bilder im Kopf erzeugen»
Der Basler Sender Radio X feiert morgen sein 25-Jahre-Jubiläum. Die 25-jährige Noemie Keller, die einen Teil ihrer Kindheit und Jugend in Wintersingen verbrachte, ist Redaktorin und Moderatorin.
Andreas Bitterlin
Frau Keller, Sie sind eine der Stimmen von «Radio X». Was bedeutet Ihnen Ihre Stimme?
Noemie Keller: Die Stimme ist ein tolles Medium zur Vermittlung von Emotionen. Es gibt nichts Persönlicheres als die Stimme. Es ist ein kreatives Medium, mit dem man es schafft, bei anderen Menschen, ohne etwas zu zeigen, Bilder im Kopf zu erzeugen. Und diese Eigenschaft einzusetzen, macht mir mega Freude bei «Radio X».
«Als Sprecherin realisiere ich alles, was Stimme braucht», lautet das Motto auf Ihrer Webseite. Wo setzen Sie Ihre Stimme noch ein?
Zurzeit nehmen wir ein Hörbuch auf, ich produziere Werbespots und Telefonansagen. Mein Ziel ist es, irgendwann als Synchronsprecherin bei Filmen tätig zu sein.
Sie haben die «Speech Academy» besucht, also die Sprecherinnenausbildung. Was haben Sie dort gelernt?
Das ist eine coole Schule, bei der ich ein Jahr den Sprecherinnen- und Sprecher-Lehrgang besuchte und in zahlreichen Modulen verschiedene Aspekte des Sprechens lernte: für Werbung, Hörspiele, Synchronsprechen oder Kommentieren. Nach der Abschlussprüfung erhielt ich das Diplom als ausgebildete Sprecherin. Am MAZ, der Schweizer Journalistenschule, besuchte ich zwei Jahre den Diplom-Lehrgang und liess mich zur Journalistin ausbilden.
Hat eine gute Sprecherin die Stimme der Natur zu verdanken oder müssen Sie sie auch trainieren und pflegen?
Sicher ist es hilfreich, eine angenehme Stimme von Natur aus zu besitzen. Wenn ich alte Radiobeiträge von mir abspiele, höre ich einen Singsang und eine höhere Tonlage als heute. Wer nicht gelernt hat, wie eine Stimme richtig eingesetzt wird, spricht in der Regel auch nicht optimal. Die Stimme ist heute bei mir anders platziert als früher, ich spreche aus meiner Körpermitte heraus im Gegensatz zu früher, als sie ganz oben im Körper angesiedelt war. Deshalb hat sich meine Stimme auch verändert.
Wie gehen Sie mit einer belegten oder heiseren Stimme um?
Ich habe eine für eine Radiosprecherin ungünstige Ausgangslage. Wenn ich die Stimme überanstrenge, etwa beim lauten Mitsingen an einem Konzert, dann habe ich am nächsten Tag Stimmprobleme. Bei einem Sprecheinsatz trinke ich dann Tee und Wasser und verzichte auf Kaffee, der bei der Stimmbildung Verklebungen im Mund und im Rachen bewirkt. Und ich blase durch ein Röhrchen Luft in ein Glas Wasser und summe dabei, was der Stimme erwiesenermassen gut tut.
Im Leitbild von «Radio X» steht, dass Ihr Programm den «Kreis der Gewohnheiten» verlässt. Was ist am «Radio X»-Programm im Vergleich mit anderen Radiostationen ungewohnt?
Zum Beispiel die Musikauswahl. Wer einen ganzen Tag «Radio X» hört, stellt fest, dass ihm verschiedene Musiktitel nicht zusagen. Das ist okay, wir wollen Kontraste anbieten, wir sorgen dafür, dass Zuhörerinnen und Zuhörer Neues entdecken können und eventuell dann auch feststellen, dass ihnen die Neuigkeiten gefallen.
Wie sieht es bei den Wortbeiträgen aus?
Auch thematisch widmen wir uns Gebieten, die andere Sender nicht beleuchten oder anders gewichten. Zurzeit läuft unsere Spezialsendereihe «schwarz-weiss», in der wir der Frage nachgehen, welches Verhältnis Basel und die Schweiz zum Kontinent Afrika haben, indem wir uns unter anderem mit der Kolonialgeschichte befassen. Und auch unsere Sendungen in elf verschiedenen Sprachen für eingewanderte Einwohnerinnen und Einwohner sind in dieser Form exklusiv.
Hat das Radio neben den Social-Media-Kanälen noch eine Zukunftschance?
Ja. Wie diese Zukunft aussieht, wird sich zeigen. Einen Hinweis auf diese Zukunft gibt der Trend, dass immer mehr Leute Podcasts hören. Es zeigt sich, dass bei vielen Menschen Gesprochenes beliebt ist. Eventuell ist es eine Zukunftsaussicht, dass die Menschen künftig primär Podcasts konsumieren. Aber auch als Begleitmedium beim Autofahren oder beim Kochen wird das Radio weiterhin existieren und genutzt werden.
Sie haben einen Teil Ihrer Kindheit und Jugend mit Ihrer Familie in Wintersingen verbracht. Seit vergangenem August wohnen Sie in Basel. Welche Beziehung haben Sie zum Oberbaselbiet?
Ja, ich besuche meine Eltern, die immer noch in Wintersingen wohnen. Aber ich empfand mich dort früher eher als unpassend, weil ich auffiel, als ich mir im Alter von 13 meine Haare in allen Farben von Blau bis Pink zu färben begann. Jetzt bin ich bestrebt, mich an meinem neuen Wohnort Basel richtig einzuleben.
25 Jahre «Radio X»
abi. Morgen Samstag, 22. April, lädt «Radio X» von 16 bis 23 Uhr zum Geburtstagsfest auf den Dreispitz an die Oslostrasse 8 in Basel ein.
Auf einer Open-Air-Bühne neben dem Studio treten drei angesagte Basler Musikformationen auf: Anna Aaron, «Birdmask» und «glitchBABY».
Sendungen in elf Sprachen
abi. Rund 30 000 Menschen hören durchschnittlich jeden Tag das Programm von «Radio X» auf der Frequenz 94,5 MHz im Grossraum Basel und 93,6 MHz in Liestal und Umgebung, das von 12 Angestellten und rund 150 Freiwilligen mit einem Budget von 1,2 Millionen Franken erarbeitet wird. Ein Alleinstellungsmerkmal in der Medienwelt der Region Basel sind die Sendungen in elf Sprachen. Geschäftsführer Thomas Jenny: «Damit fördern wir die Integration und das Zugehörigkeitsgefühl der Zugewanderten zur Schweiz.» Alle diese Sendungen werden von Freiwilligen ohne Entgelt gestaltet. 2013 erhielt «Radio X» dafür den mit 15 000 Franken dotierten, von den evangelischreformierten und römisch-katholischen Kirchen, dem Pharmakonzern Novartis und der Christoph-Merian-Stiftung lancierten Basler Integrationspreis.