Otto Graf

Herr Faulstich, Sie wohnen in Basel. Fühlen Sie sich als Stadtmensch?
Thomas Faulstich: Ich liebe in der Stadt die kulturelle Vielseitigkeit und das Nebeneinander vieler verschiedener Menschen und Weltanschauungen, aber mindestens ebenso liebe ich die Natur und relative Ruhe auf dem Land.

War ein Umzug aufs Land für Sie nie ein Thema?
Ich wohnte mit meiner inzwischen verstorbenen Frau gut zwei Jahre in Kilchberg. Da wir das Haus, in dem wir wohnten, nicht zu den geforderten Konditionen kaufen wollten und wir im oberen Kantonsteil damals kein anderes passendes Zuhause fanden, hat es uns wieder nach Basel zurück verschlagen.

Was können die Menschen in Läufelfingen von den Leuten in der Stadt lernen und umgekehrt?
Manchmal denke ich, dass ein etwas offenerer Umgang mit den Veränderungen in der Welt den Leuten im oberen Kantonsteil im Alltag helfen könnte. Denn das Leben ist eine ständige Folge von Veränderungen. Diese bieten jeweils viele Chancen, wenn die Bereitschaft besteht, seine eigene Position zu überdenken und sein Handeln entsprechend anzupassen. Umgekehrt wünsche ich den Stadtmenschen ein wenig mehr Geduld und innere Ruhe.

Warum gerade Läufelfingen? Haben Sie nie mit einer grossen Gemeinde geliebäugelt?
Ich habe eigentlich immer in kleinen und mittleren Unternehmen gearbeitet. Grosse Firmen und Organisationen haben mich eher gelangweilt, da durch die hohe Arbeitsteilung die Aufgabengebiete oft sehr eng begrenzt sind. Ich bin nicht gerne nur ein Zahnrad in einer grossen Maschine.

Was haben Sie beruflich gemacht, bevor Sie die Stelle in Läufelfingen übernahmen?
Ich habe davor in mehreren leitenden Positionen in der Privatwirtschaft gearbeitet. Zuletzt war ich Geschäftsführer der Firma «city disc», einem Unternehmens mit rund 30 Filialen in der Schweiz, das CDs, DVDs und Games verkauft hat. Diese Firma wurde im Lauf der Jahre aufgrund von gesellschaftlichen und technischen Veränderungen letztlich auch überflüssig.

Warum gehen Sie vorzeitig in Pension?
Meine Frau ist Anfang dieses Jahres unerwartet verstorben. Das hat meine weitere Lebensplanung ziemlich durcheinandergebracht. Ich habe mich entschieden, meine für Sommer 2022 ohnehin bereits geplante Pensionierung vorzuziehen. Nicht zuletzt auch wegen einer anstehenden Verschlechterung in der Pensionskasse ab kommendem Jahr.

Was haben Sie besonders gern gemacht?
Mir hat der Kontakt zu den unterschiedlichsten Menschen immer sehr gefallen. Auch wenn – oder vielleicht gerade weil – das manchmal sehr herausfordernd ist.

Was liegt Ihnen weniger?
Ganz generell: Egoismus, Engstirnigkeit und Intoleranz, was heute leider generell ein wenig ein Trend zu sein scheint.

Inwiefern hat sich das Verhältnis zwischen der Bevölkerung und den Behörden verändert? Sind die Leute kritischer geworden? Oder die Behörden offener, auch zugänglicher?
Auf Gemeindeebene hat sich wohl nicht viel verändert. Die Leute waren immer kritisch, was auch sehr begrüssenswert ist, solange diese Kritik fair und sachlich ist, denn sie ist ein wichtiger Teil unseres politischen Systems. Für unsere Gesellschaft und Demokratie sehr gefährlich empfinde ich aber die heute leider schon bald alltäglichen persönlichen, verbalen Angriffe und Drohungen gegenüber Personen, die sich öffentlich engagieren. Auf Gemeindeebene ist das zum Glück noch eher selten.

Der Ruf nach Zusammenlegungen von Gemeindeverwaltungen wird immer mehr ein Thema, insbesondere bei bevorstehenden Pensionierungen von leitenden Personen. Welches sind die Vor-, welches die Nachteile eines solchen Schritts?
Die Zusammenlegung von Verwaltungen bringt aus meiner Sicht kaum Vorteile. Ich halte als Gemeindeverwalter sehr wenig von dieser Idee, wenn damit nicht auch eine Fusion der Gemeinden verbunden ist. Ich möchte Folgendes zu bedenken geben: Wie soll eine Verwaltung funktionieren, wenn sie in jedem Fachgebiet mit verschiedenen Reglementen arbeiten muss – je nach Gemeinde, für welche sie gerade tätig ist? Die Mitarbeitenden, die das können sollten, müssten wahrscheinlich zuerst gentechnisch verändert werden.

Auch das Zusammenlegen von Gemeinden zu grösseren Einheiten ist kein Tabuthema mehr. Welche Voraussetzungen braucht es, damit diese Frage wirklich spruchreif wird?
Ich habe bei meinem Stellenantritt vor gut 15 Jahren die Vermutung geäussert, dass ich bis zu meiner Pensionierung wohl noch die ersten Gemeindefusionen im oberen Baselbiet erleben werde. Das hat sich nun nicht bewahrheitet. Wahrscheinlich deshalb, weil es den meisten Gemeinden finanziell noch relativ gut geht. Diese Situation wird sich in den nächsten zehn Jahren wohl aber ändern, eher verschlechtern. Zudem werden immer mehr Gemeinderäte von kleinen Gemeinden realisieren, dass sie auf kantonaler Ebene zusehends an Einfluss verlieren. Kleine Gemeinden verlieren zudem Geld und verpassen Möglichkeiten aus Unwissenheit oder mangels personeller Kapazitäten.

Die wichtigsten Highlights in der Ära Faulstich?
Die beiden wohl wichtigsten Themen waren der wiederholte Einsatz für den Erhalt des «Läufelfingerlis» sowie der Kauf und die nun bald fertiggestellte Überbauung des ehemaligen Kohler-Areals. Auch das Bahnfest und das Kantonale Schwingfest werden mir in Erinnerung bleiben.

Was wurde in Läufelfingen noch nicht erreicht?
Dazu möchte ich nichts sagen, um niemandem Hypotheken aufzuladen.

Welchen Stellenwert hat das «Läufelfingerli» in der Dorfbevölkerung von Läufelfingen? Welchen Einfluss hat die Bahn auf das Dorf?
Das «Läufelfingerli» ist für das Dorf ein entscheidender Standortvorteil. Es stellt eine rasche Verbindung nach Olten und damit nach Zürich, Bern und Luzern sicher. Nicht wenige Läufelfingerinnen und Läufelfinger arbeiten dort. Damit bleibt Läufelfingen als Wohnort attraktiv. Ohne Bahn käme es zu einer Abwanderung.

Was braucht es, damit diese Bahn langfristig auf dem Gleis bleibt?
Nachdem nun in einer Volksabstimmung eine klare Mehrheit sich unmissverständlich für die Bahnlinie ausgesprochen hat, gehe ich davon aus, dass eine Betriebseinstellung in den nächsten Jahren kein Thema sein wird. Entgegen der Entwicklung auf den übrigen S-Bahnlinien hat die Auslastung auf dem «Läufelfingerli» gemäss letzter Auswertung zudem zugenommen. Das Homburgertal hat gezeigt, dass es in der Lage ist, alle Register zu ziehen, um nicht aufs Abstellgleis zu geraten. Ich bin überzeugt, dass auch die künftige Gemeindeführung das können wird.

Kürzlich war Gregor Gysi aus Berlin in Läufelfingen. Was bedeutete dieser Besuch für das Dorf?
Der Besuch von Gregor Gysi am 4. November freute uns sehr. Die Bevölkerung ist offen für Veranstaltungen und Anlässe verschiedenster Art. Dies hat sie unter anderem auch mit der Organisation und Durchführung des Kantonalen Schwingfestes im Jahr 2019 gezeigt. Sie wird es mit dem Open-Air-Theater «Hauenstein» im «Silo 12» nächstes Jahr auch so halten.

Zur Person

og. Ende November geht Thomas Faulstich nach über 15-jähriger Tätigkeit als Gemeindeverwalter von Läufelfingen vorzeitig in Pension. Er wohnt in Basel, hat aber aufgrund seiner Herkunft und Abstammung auch einen engen Bezug zum Land.
Seine Nachfolgerin ist Tanja Rickenbacher, die seit dem Jahr 2015 auf der Verwaltung des «Tunneldorfs» arbeitet. Als Hobbys nennt Faulstich das Wandern, Gärtnern und Reisen sowie Geschichtliches. Auch nach seiner Pensionierung möchte er sich gezielt engagieren, hat sich aber noch nicht definitiv festgelegt.

«Ich bin nicht gerne nur ein Zahnrad»

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