Starkregen fordert Feuerwehr und Zivilschutz
25.06.2021 SissachDiegtertal war von Überschwemmungen besonders betroffen
Rund 120 Einsätze haben die Feuerwehrleute der Stützpunktfeuerwehr Sissach in Zusammenarbeit mit der Zivilschutzorganisation Ebenrain, verstärkt durch weitere Einsatzkräfte in der Nacht auf Donnerstag im Raum ...
Diegtertal war von Überschwemmungen besonders betroffen
Rund 120 Einsätze haben die Feuerwehrleute der Stützpunktfeuerwehr Sissach in Zusammenarbeit mit der Zivilschutzorganisation Ebenrain, verstärkt durch weitere Einsatzkräfte in der Nacht auf Donnerstag im Raum Sissach-Zunzgen leisten müssen.
Robert Bösiger
Aufgeboten wurden die Rettungseinheiten mit Alarm kurz nach 20 Uhr, nachdem am Mittwochabend ab 20 Uhr heftige Gewitter mit Hagel und Starkregen zu zahlreichen Notrufen geführt hatten.
Wie die Polizei Basel-Landschaft mitteilt, gingen bei der Einsatzleitzentrale ab 20 Uhr etwa 1000 Notrufe ein. Diese hätten bis gegen Mitternacht zu gut 300 Feuerwehreinsätzen geführt. Durch die grossen Wassermassen wurden vor allem Liegenschaften, Baustellen und Strassen überschwemmt.
Im Diegtertal kam es vor allem in Zunzgen, Tenniken und Diegten zu zahlreichen überschwemmten Kellern und Tiefgaragen. Zwischen Zunzgen und Tenniken machten einige kleinere Erdrutsche die Kantonsstrasse über Stunden unpassierbar.
Die Stützpunktfeuerwehr Sissach stand mit rund 120 Feuerwehrangehörigen im Dauereinsatz. Unterstützung erhielten die Pompiers durch etwa zwei Dutzend Angehörige der Zivilschutzorganisation Ebenrain. Später kamen weitere Feuerwehren aus dem unteren Kantonsteil zu Hilfe.
Kantonsweit seien 19 Feuerwehrorganisationen mit rund 350 Feuerwehrleuten im Einsatz gestanden, wie die Polizei sowie das kantonale Feuerwehrinspektorat mitteilen. Ebenfalls standen die kantonale Krisenorganisation (KKO), diverse regionale Führungsstäbe – darunter der Regionale Führungsstab RFS Ebenrain unter Leitung von Reto Zumbrunnen − sowie Mitarbeitende des Tiefbauamts im Einsatz, um die angerichteten Schäden zu beheben.
Erinnerungen an 2016
Wie vor ziemlich genau fünf Jahren wurde insbesondere die Gemeinde Zunzgen in Mitleidenschaft gezogen. Im Gewerbegebiet zwischen Sissach und Zunzgen wurden die Firmen Fortura, Garage Stauffenegger und Rytz besonders betroffen. Bis früh in die Morgenstunden hinein standen die Retter im Einsatz und pumpten Keller und Tiefgaragen leer. Mitarbeitende des Tiefbauamtes machten unterdessen die Kantonsstrasse nach Eptingen wieder frei.
Ebenso mit den steigenden Wassermassen des Diegterbaches zu tun bekam es die Kunsteisbahn Sissach: Überschwemmt wurde der ganze Eingangsbereich. Erstens. Und zweitens haben die Wassermassen die Mauer auf der Ostseite der Eishalle unterspült. In Tenniken musste kurzzeitig die Wasserquelle abgestellt werden, weil es zu Trübungen gekommen war. Gestern rief auch die Gemeinde Diegten zu sparsamem Umgang mit Wasser auf, weil die verunreinigten Grundwasserpumpwerke ausser Betrieb genommen werden mussten.
Der Regionale Führungsstab RFS Ebenrain, der sich ebenfalls im Sissacher Feuerwehrmagazin einquartiert hatte, organisierte für die engagierten Retter von Feuerwehr, Zivilschutz und RFS gegen morgens um 3 Uhr Hörnli und Fleisch mit Salat, um die Rettungskräfte zu stärken. Denn es war schon in der Nacht absehbar, dass der Einsatz anderntags in dieser oder jener Form weitergehen würde. Unseren frühmorgendlichen Heimweg beäugte der Vollmond verwundert hinter vereinzelten Wolken hindurch.
Hanspeter Mundwiler, 46, stellvertretender Kommandant Stützpunktfeuerwehr Sissach
«Ich bin um 20 Uhr eingerückt und habe bis jetzt (10 Uhr) durchgearbeitet. Ausser einer ‹Pause› von einer Stunde, als ich meine Kühe melken musste. Dass es so schlimm kommen wird, wussten wir noch nicht. Die Feuerwehren von Eptingen, Diegten und Tenniken waren schon ausgerückt. Zunzgen ist wohl am meisten betroffen, da sich das Wasser angestaut hat und sich am Ende des Tals entlud. Wir wurden von den umliegenden Feuerwehren unterstützt bis hin zu den Muttenzer Kollegen.»
Markus Angehrn, 63, Zunzgen
«Die ganze Garage ist vollgelaufen. Das Auto klebte sozusagen an der Decke, so hoch stand das Wasser. Ein Totalschaden. Auch Waschmaschine, Tiefkühler, Rasenmäher und sinnigerweise der Wassersauger standen unter Wasser. Es ist schlimm. Wir sind zum Glück mit dem Leben davongekommen. Ich habe die ganze Nacht nicht geschlafen. Beim Schwiegervater ist auch alles vollgelaufen. Ihn hat es noch mehr getroffen.»
Roland Binggeli, 29, Zunzgen
«Bei mir ist das gleiche passiert wie bei meinen Nachbarn. Die Garage ist vollgelaufen. Ich war im Restaurant am Abend etwas essen, als alles begann. Am Anfang dachte ich, das Ganze geht sich gut aus. Plötzlich stand das Wasser 1,80 Meter hoch in der Garage. Da ich kein Auto besitze, benutze ich die Garage zur Aufbewahrung von allerlei Dingen. Alle Sachen kann ich jetzt in die Mulde schmeissen. Naja, es ist halt so, wie es ist. Vor fünf Jahren hatten wir ja Glück. Damals hatten wir keine Schäden.»
Doris Knus, 63,
«Wir sind schon das zweite Mal vom Unwetter betroffen. Genau vor fünf Jahren und einem Tag haben wir Ähnliches erlebt. Damals traf es uns aber mehr. Jetzt sind der ganze Garten und der Keller in Mitleidenschaft gezogen. Alles ist dreckig und voller Schlamm. Die Wärmepumpe ist vielleicht auch kaputt. Beim letzten Mal haben wir tagelang geputzt. Heute lassen wir ein Reinigungsinstitut die Sachen reinigen. Dies wird von der Versicherung übernommen. Was witzig ist: Vor fünf Jahren verfolgte mein Mann am Fernseher Schweiz gegen Polen. Und gestern Abend spielten erneut die Polen.»
Roberto Papini, 36, Geschäftsleitungsmitglied, Fortura AG
«Ich bekam vom Zivilschutz ein Aufgebot um etwa 21.30 Uhr. Ich wusste nicht, dass es der Diegterbach war, der über die Ufer getreten ist. Ich habe meinen Vater informiert, der nach einer Stunde im Geschäft war. Bei unserem ‹Nachbarn›, dem Unternehmen Rytz, wurde ich zur Hilfe abkommandiert. Jetzt kenne ich den Besitzer Rytz persönlich. Wie hoch der Schaden ist, kann ich nicht beziffern. Die Ware im Keller auf dem Boden wurde in Mitleidenschaft gezogen. Dabei handelt es sich vor allem um Spielsachen aus Plüsch. Wenn diese einmal nass geworden sind, kann man sie entsorgen.»
Liz Rytz, 71, Inhaberin Rytz AG,
«Mein Sohn hat mich um 20 Uhr informiert. Die Feuerwehr war fast gar nicht vor Ort. Ihre Priorität war zuerst Menschen in Sicherheit zu bringen. Mein Unternehmen ist im Metall- und Industriebau tätig. Wir hatten Angst, dass Flüssigkeiten in den Bach fliessen könnten. Wir rechnen mit einem Schaden von gegen 800 000 Franken. An eine Produktion ist in den nächsten Wochen nicht zu denken. Der Strom wurde sicherheitshalber abgestellt. Zudem müssen alle Maschinen geprüft werden. Immerhin standen rund 5000 Quadratmeter des Gebäudes unter Wasser.»
Umfrage und Bilder Christian Roth