ZOOLOGISCH
12.05.2020 NaturJetzt grillen sie wieder
Daniel Zwygart
Nein, nicht die Grilleure auf Balkonen und in Gärten sind gemeint, sondern die Hundertschaften von Feldgrillen (Gryllus campestris), die uns in diesen Tagen eine unüberhörbare Geräuschkulisse ...
Jetzt grillen sie wieder
Daniel Zwygart
Nein, nicht die Grilleure auf Balkonen und in Gärten sind gemeint, sondern die Hundertschaften von Feldgrillen (Gryllus campestris), die uns in diesen Tagen eine unüberhörbare Geräuschkulisse bieten. Sie singen aber nicht für uns, so wie die Vögel auch nicht.
Die Grillenmännchen sitzen dazu auf dem sauber geputzten Vorplatz ihrer bis zu 40 Zentimeter tiefen, etwa «wienerlidicken», selbst gegrabenen Wohnröhre. Die Zirplaute erzeugen sie mittels ihrer Vorderflügel. Diese haben verstärkte Flügeladern. Dabei reibt die sogenannte Schrillleiste auf der Unterseite des rechten Flügels über die Schrillkanten auf der Oberseite des linken Flügels. Das regelmässige «zri-zri-zrizri» ist 50 bis 100 Meter weit hörbar.
Bei der geringsten Störung verschwinden die Männchen sofort in ihren Röhren. Grillen sind nämlich eine wichtige Futterbasis für viele Vögel wie Elstern, Neuntöter oder Turmfalken, aber auch für Zauneidechsen und Spitzmäuse. Oftmals kämpfen männliche Reviernachbarn miteinander. Dieser Umstand ist wahrscheinlich der Grund, wieso man mittels eines Grashalms die verschwundenen «Grilleriche» wieder aus ihrer Röhre herauslocken kann.
Ja und das Weibchen? Kann es die Liebesbotschaften hören? Ja, aber die Ohren der Grillen und der anderen Langfühlerschrecken liegen am Vorderbein, direkt unter dem knieartigen Knick. Es scheint, dass die Weibchen aufgrund des Grillengesangs (genetisch) fittere Männchen heraushören können. So suchen sie das bevorzugte Männchen vor seiner Höhle auf. Dieses lässt nun einen leiseren und eher stotternden Balzgesang ertönen. Es geschieht, was biologisch gesehen geschehen muss, damit das Grillenleben weitergeht: Die Tiere paaren sich und das Weibchen trägt eine gefüllte Samenblase weg. Nach der Befruchtung der Eier werden diese mit einer langen Legeröhre in den Boden abgelegt.
Viele Insekten sterben bald nach der Paarung und Eiablage ab. Bei Grillen dauert es noch ein bisschen länger, ein Weibchen kann sich mit mehreren Männchen paaren. Im Juni wird dann das Konzert immer leiser und im Juli sind nur noch einzelne am «Grillen». Schon im September sind die ersten kleinen Larven der Grillen zu sehen und manchmal, wenn das Wetter sehr warm ist, können einzelne Grillen sogar nochmals geschlechtsreif werden. So geschehen im vergangenen Herbst, wo an diversen Orten im Oktober noch Grillen gezirpt haben.
Dort, wo trockene Wiesen mit Blumen wie Wiesensalbei, Hornklee, Ackerwitwenblume («Guufechüssi») und Margrite blühen, da ist es den Grillen wohl. Es ist nicht wegen spezieller Gräser, die sie fressen, sondern weil es neben Futter auch genügend Sonnenstrahlen hat, die bis zum Boden vordringen und warm geben. Denn wenn der Pflanzenbestand zu dicht ist (zum Beispiel wegen zu viel Dünger), gefällt es den Grillen nicht – zu schnell wird da die Wohnröhre schimmlig oder verpilzen die gelegten Eier.
So findet man Grillen oftmals auch an trockenen Böschungen oder abschüssigen Rinderweiden. Und dies hoffentlich noch lange!
Daniel Zwygart ist Biologe. Er unterrichtete während vieler Jahre am Gymnasium Liestal.