«Wir sitzen hier nicht völlig einsam auf dem Berg»
31.01.2020 Arboldswil, Bezirk WaldenburgGemeindepräsident Johannes Sutter sieht keinen Grund, dem Regionenverein beizutreten
Wenn es die Gemeinden mit der Zusammenarbeit «zu weit» treiben, geht das auf Kosten ihrer Autonomie. Davon ist Johannes Sutter, Gemeindepräsident von Arboldswil, fest überzeugt.
Sebastian ...
Gemeindepräsident Johannes Sutter sieht keinen Grund, dem Regionenverein beizutreten
Wenn es die Gemeinden mit der Zusammenarbeit «zu weit» treiben, geht das auf Kosten ihrer Autonomie. Davon ist Johannes Sutter, Gemeindepräsident von Arboldswil, fest überzeugt.
Sebastian Schanzer
Herr Sutter, jeden Monat treffen sich die Gemeindepräsidien der Frenkentäler und Umgebung, um sich gegenseitig über Zukunftspläne der Region auszutauschen. Arboldswil ist nicht mit von der Partie. Interessiert es Sie, was da besprochen wird?
Johannes Sutter: Ja. Eigentlich schon. Man bekommt es von Kollegen ja auch mit. Aber ich habe nicht das Gefühl, dass wir sehr viel verpassen würden. Wir sind ja weitaus nicht die einzige Gemeinde im Perimeter, die an diesem Projekt nicht teilnimmt: Lauwil, Bretzwil, Lampenberg, Waldenburg oder Lausen sind auch nicht dabei.
Auf der Suche nach gemeinsamen Lösungen bilden sich in solch einem Regionenverein wertvolle Netzwerke. Befürchten Sie nicht, abgehängt zu werden?
Nein. Auch wir pflegen natürlich gerne Kontakt mit anderen Gemeindevertretern. Und Sie können davon ausgehen, dass die Vertreter der Gemeinden, die nicht im Verein sind, auch miteinander reden. Wir sitzen hier nicht völlig einsam auf dem Berg.
Die Mitgliedsgemeinden des Vereins Liestal Frenkentäler Plus haben das Ziel, die Gemeindeautonomie zu stärken und das Prinzip der Subsidiarität konsequent umzusetzen. Das wäre doch genau in Ihrem Sinn?
Mit dem Ziel bin ich absolut einverstanden. Aber wir sehen einen anderen Weg. Grundsätzlich sollen unserer Meinung nach die Aufgaben im kleinstmöglichen Gefäss erledigt werden. Das ist am effizientesten. Im Gemeinderat haben wir uns dem Grundsatz der Einfachheit verschrieben. Wenn man es mit der Zusammenarbeit allzu weit treibt, geht das dann wiederum auf Kosten der Autonomie.
Können Sie ein Beispiel nennen?
Der Verein Region Liestal Frenkentäler Plus arbeitet derzeit an einem regionalen Muster für das Zonenreglement Siedlung. Auch wir revidieren im Moment unser Zonenreglement Siedlung. Wir folgen dabei einem Ablauf mit Informationsanlässen und Mitwirkungen, bis die Vorlage vor die Gemeindeversammlung kommt. Das ist für uns der richtige Weg, denn ein Zonenreglement ist stark auf die jeweilige Gemeinde zugeschnitten. Da spielt auch die Geschichte eines Dorfs eine Rolle und der Wille der Einwohner, wie sich das Dorf weiterentwickeln soll. Was da ein allgemeines Muster nutzen soll, sehe ich nicht.
Derzeit läuft beim Verein ein Projekt über eine regionale Bauverwaltung. Schulabkommen und Verträge sollen unter den Vereinsgemeinden einheitlicher werden und auch bei der regionalen Abfallbewirtschaftung ist man auf der Suche nach Formen der Zusammenarbeit. Da könnte man doch überall gemeinsam Geld sparen.
Ich sträube mich nicht gegen jegliche Zusammenarbeit mit anderen Gemeinden. Das muss je nach Thema einzeln beurteilt werden. Wir führen die Schule und die Feuerwehr beispielsweise gemeinsam mit der Nachbargemeinde Titterten. Das funktioniert ausgezeichnet. In der Feuerwehr können wir uns kaum retten vor Neumitgliedern. Wir haben fast schon einen Überbestand, was heute sehr ungewöhnlich ist.
Bei der Sozialhilfe muss sich andererseits ein regionaler Verbund im Waldenburgertal auflösen, weil die meisten Gemeinden ausgetreten sind.
Das ist ein Paradebeispiel. Auch «Liestal Frenkentäler Plus» meint, hier Synergien nutzen zu können. Wir sind vor zwei Jahren aus dem regionalen Dienst ausgestiegen und machen das seither selbst mit einer eigenen Sozialhilfebehörde und der Gemeindeverwaltung. Das Resultat: Wir sparen etwa 10 000 Franken allein beim Dienst. Zudem haben wir auch weniger Fälle seither. Wenn jemand kommt und einen Antrag auf Sozialhilfe stellt, nehmen wir uns Zeit für ein Gespräch. Schon in mehreren Fällen konnten wir so verhindern, dass es überhaupt eine Unterstützung der Sozialhilfe braucht. Manchmal muss man unkonventionellere Wege gehen, und das ist im Milizsystem besser möglich.
Wo sehen Sie in Arboldswil noch Potenzial für Zusammenarbeit mit anderen Gemeinden?
Beim Wegmacherdienst könnte vielleicht in einem grösseren Gebiet kooperiert werden, indem man Geräte und Maschinen untereinander austauscht. Aber eigentlich sehen wir aktuell keinen Bereich, in dem sich eine Zusammenarbeit in grösseren Gemeindegebilden aufdrängen würde. Im Moment sind wir effizient aufgestellt und die Finanzen sind auch in Ordnung.
Stossen Sie mit Ihrer Haltung bei Kollegen aus anderen Gemeinden eigentlich auf Unverständnis, oder wird gar Druck ausgeübt, dem Verein beizutreten?
Nein, Druck spüre ich keinen. Ich werde zwar immer wieder angesprochen, ob wir nicht auch mitmachen wollen. Aber die meisten kennen meine Antwort schon im Voraus. Es hat sich irgendwie etabliert, dass wir in dieser Hinsicht ein «Gallierdorf» sind. Wir folgen einfach unserer Überzeugung, dass sich die Zusammenarbeit nur in gewissen Bereichen lohnt, in anderen nicht. Letztlich kostet der Verein ja auch Geld. Er betreibt eine Geschäftsstelle.
Ihr Vorgänger Rolf Neukom war ein ausdrücklicher Befürworter von mehr regionaler Zusammenarbeit. Mit dem aktuellen Gemeinderat gab es einen Kurswechsel. Wie schätzen Sie denn Ihren Rückhalt bei den Einwohnern ein?
Der Gemeinderat ist in dieser Frage einer Meinung. Die ablehnende Haltung gegenüber dieser institutionalisierten Zusammenarbeit hat ihren Ursprung jedoch nicht beim Gemeinderat, sondern in der Bevölkerung: Im Dezember 2013 wurde das Budget abgelehnt. Anfang 2014 kamen der heutige Vizepräsident Benjamin Schweizer und ich neu in den Gemeinderat. Unsere erste Aufgabe war es, ein neues Budget zu entwerfen. Wir wussten, dass die 10 000 Franken, die mein Vorgänger für die institutionalisierte Zusammenarbeit eingestellt hatte, mit ein Grund für die Rückweisung war. Das machten wir rückgängig und hatten damit Erfolg. Die Bevölkerung hatte dies ausdrücklich gewürdigt.
In Hersberg gab es in der Vergangenheit immer wieder Probleme, die Behörden vollständig zu besetzen. Deshalb will man nun eine Fusion mit Arisdorf prüfen. Ist Arboldswil vor solchen Situationen gefeit?
Der Unterschied besteht wohl darin, dass wir genau dieses Problem nicht haben. In den vergangenen sechs Jahren hatten wir nie Mühe damit, Gemeinderat, Kommissionen oder andere Behörden zu besetzen. Im Gegenteil: Teilweise haben wir sogar Kandidatinnen und Kandidaten «auf Vorrat».
Warum ist das so?
Das hat meines Erachtens mit dem guten Klima im Dorf und auch im Gemeinderat zu tun. Das merkt die Bevölkerung. Bei uns im Gemeinderat zu arbeiten macht Spass und ist dadurch attraktiv.
Im Nachbardorf …
Ich wusste, dass diese Frage kommt …
Im Nachbardorf Titterten ist das im Moment anders. Drei Rücktritte aus dem Gemeinderat innerhalb von neun Monaten, zuletzt ein zurückgewiesenes Budget: Die Stimmung im Dorf ist schlecht. Bereitet Ihnen die Situation des Nachbarn Sorgen?
Wir beobachten diese Situation schon genau und bedauern, dass es so weit gekommen ist. Die Zusammenarbeit mit Titterten funktioniert aber nach wie vor gut und auf der persönlichen Ebene hatten wir sowieso nie Probleme mit den Titterter Behörden. Wir hoffen einfach, dass nach den Wahlen wieder eine klare Situation mit komplett besetztem Gemeinderat herrscht.
Arboldswil war einst Auslöser
en. Der ehemalige Arboldswiler Gemeindepräsident Rolf Neukom ist einst als «Motor» des heutigen Vereins Region Liestal Frenkentäler Plus (RLF+) in Erscheinung getreten. «Er war vor bald zehn Jahren quasi der Initiator», sagt Fritz Sutter, der bedauert, dass Arboldswil nach Neukoms Rücktritt dem Modellvorhaben den Rücken gekehrt hat. Nicht mehr dabei ist aus der ehemaligen Testplanung auch Lauwil. Neu dabei, vorerst mit Beobachterstatus, sind auf der anderen Seite Hersberg, Langenbruck und Oberdorf.
Alle diese Gemeinden vertreten das «Zukunftsbild», das vielsagend und modern ist. Darin ist unter anderem enthalten, dass sich die Frenkentäler, das heisst die vierzehn Gemeinden mit ihren 35 000 Einwohnerinnen und Einwohnern und gut 13 500 Haushalten, als ländlichen Raum im Grossraum Basel mit Fokus auf Lebensqualität, Gesundheit, Ästhetik, Genuss, Offenheit und Modernität verstehen. Die Region will sich primär als attraktive Wohn- und Lebensregion positionieren. Unternehmensstandorte sollen sich auf der anderen Seite in den Tälern und nach Liestal konzentrieren. «Wir haben in jeder Beziehung grosse Ziele und die Flughöhe ist wirklich hoch», ist sich RLF+-Präsident Sutter bewusst.