Von «Grütli»-, Frei- und Feldschützen
15.08.2019 VereineSchiessen | Zur Geschichte des Schiesswesens in Sissach; Teil 3: Neue Vereine, Waffen und Schiessplätze
Im 19. Jahrhundert vergütet der Bund 50 Schuss pro Schützen. Zur alten Schützengesellschaft kommen neue Schiessvereine, unter anderem von den ...
Schiessen | Zur Geschichte des Schiesswesens in Sissach; Teil 3: Neue Vereine, Waffen und Schiessplätze
Im 19. Jahrhundert vergütet der Bund 50 Schuss pro Schützen. Zur alten Schützengesellschaft kommen neue Schiessvereine, unter anderem von den «vaterländischen Arbeitnehmern». Neue Waffen machen präzise Schüsse bis 600 Meter möglich.
Ueli Oberli
Laut dem ältesten Protokoll vom 1. Juli 1871 kam es in diesem Jahr zur Gründung des Sissacher Feldschützenvereins. Bei der Gründung übernahm der neue Verein aus dem Nachlass eines älteren Vereins eine Fahne mit der Jahreszahl 1865 und den Buchstaben «S J». Diese Buchstaben könnten bedeuten, dass sich bereits vor dieser Zeit die mit einem Jägergewehr ausgerüsteten Schützen zu einem Klub oder Verein zusammengeschlossen hatten. Die ersten Statuten sind aber erst mit 31. Dezember 1874 datiert. Artikel 2 lautet: «Zweck desselben ist, jedes Mitglied mit der Handhabung unserer neuen militärischen Schusswaffe bekannter und vertrauter zu machen, um im Nothfalle als tüchtiger Wehrmann für sein Vaterland einzustehen.»
Zur besseren Unterscheidung änderte die Schützengesellschaft in den Siebzigerjahren ihren Namen offiziell in «Standschützengesellschaft». Bereits im Reglement von 1863 des Bundes stehen folgende Bedingungen:
a) Der Verein muss jedem in der Miliz eingeteilten und in bürgerlichen Ehren und Rechten stehenden Schweizerbürger den Eintritt gestatten.
Mit dieser Regelung wurden das «Herrentum» und die Zünfte eingeschränkt.
b) Er muss wenigstens 15 Mitglieder zählen
c) Die Schiessübungen dürfen nur mit Ordonnanzwaffen und mit Ordonnanzmunition geschossen werden: verlangt werden wenigstens 3 Uebun- gen, auf 3 Entfernungen, 50 Schüsse.
25 Schüsse werden vom Bunde vergütet, sofern der Kanton ebensoviel beiträgt.
d) Es darf nur auf Scheiben nach eidg. Vorschrift geschossen werden.
In Abweichung vom Reglement 1863 brachte die Verordnung 1876 folgende Vorschriften:
Der Verein muss wenigstens 20 Mitglieder stark sein. Der Eintritt oder wenigstens die Teilnahme an den Uebungen ist jedem Eingeteilten zu gestatten.
Die Zahl der vorgeschriebenen Übungen und die Minimalzahl der abzugebenden Schüsse blieben unverändert, dagegen vergütete der Bund 50 gemäss Vorschrift abgegebene Schüsse, statt wie früher nur deren 25. In der Munitionsvergütung lag die eigentliche Unterstützung des Bundes. Sie entspricht dem Verkaufspreis der Munition. Der Bund behielt sich das Recht vor, die Munition in Natura zu liefern. Weil die Schiessvereine aber das bare Geld vorzogen, wurde von diesem Vorbehalt kein Gebrauch gemacht.
Anerkennungen und Unterstützungen konnten Vereinen für Märsche, Sicherungsdienst, Tirailleurübungen (Militärischen Gefechtsschiessen) vor der Scheibe, Schiessübungen auf unbekannte Distanzen und Bedingungsschiessen zuerkannt werden.
Die Ausmärsche im Ordonnanztenü auch in entferntere Regionen und Schussdistanzen bis 600 Meter beim Obligatorischen waren an der Tagesordnung, wie ein Auszug aus dem Protokoll der Feldschützen von 1890 zeigt (siehe Kasten).
Politisch aktive «Grütli»
Über die Schiessplätze in der Alp ist in den Protokollen nichts vorhanden. Das Landstück bei einem früheren Scheibenstand heisst laut Hans Hostettler im «Alpbad» immer noch «Scheibenstand». Beim Holzen hinter den Scheiben wurden laut Hostettler in den Baumstämmen Geschosse gefunden. Aber auch beim Mähen kamen im Gras Geschosse zum Vorschein.
In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts gab es landauf, landab «Grütlivereine». Unter diesem Namen schlossen sich die «vaterländischen Arbeitnehmer» zusammen. Die Freischützengesellschaft wurde 1886 unter dem Namen «Grütlischiessverein» als Untersektion des damaligen Grütlivereins gegründet.
Erst zwei Jahre später, an der Vereinsversammlung vom 23. März 1888, wurden die ersten Statuten genehmigt. Darin ist festgelegt, dass der Präsident und der erste Schützenmeister militärpflichtig und die übrigen Vorstandsmitglieder beim politisch aktiven Grütliverein sein mussten.
1892 traten die Schützen aus dem Grütliverein aus und gaben sich den Namen «Freischützen».
Die Frei=Schützen Sissach haben in der Sitzung vom 10. Mai 1894 beschlossen einen Ausmarsch ins Kur- ort Kilchzimmer abzuhalten, derselbe hat wie uns der Berichterstatter mitheilt einen recht schönen Verlauf genommen. Die Gesellschaft versammelt sich Sonntag den 24. Juni 94 Morgens 5 Uhr bei unserem Mitglied Gisler August zur Sonne unter Begleitung der werthen Musikgesellschaft Zunzgen mit einer stattlichen Zahl von zusammen 36 Mann. Kurz nach 5 ¼ Uhr erschien unser Fähnrich Renk Georg und es wurde im durch Schützenmeister Schnewelin die neue Vereinsfahne übergeben welche zum ersten Mal unsere Gauen des Kantons durchziehen wird. Nach-dem ersterer noch eine kurze Ansprache über die Beteudung des Panners sowie über die Opferwilligkeit dess Vereins und insbesondere einiger Mitglieder desselben ausgesprochen wird zum Abmarsch geblasen welcher sich um 5 ½ in strammer Militärischer Ordonnanz vollzog.
Der Ausmarsch führte nach Eptingen zum Frühstück und dann über den Kilchzimmersattel ins ehemalige Bad Kilchzimmer. Hier wurde geschossen und es gab ein währschaftes Mittagessen. Im Verlauf des Nachmittags ging es zu Fuss weiter nach Waldenburg, wo die Bahn bestiegen wurde. Im Altmarkt hiess es wieder aussteigen und es ging zu Fuss heim nach Sissach, wo am Abend zusammen mit den Angehörigen ein Fass Bier «verkneipet» wurde. Die Freischützen schossen vorwiegend in der Alp.
Eine Geschichte für sich könnte man über die Schiessplätze der Feldschützen schreiben. Während zuerst auf dem Feld in der Alp und an anderen Orten, ja sogar auf der Zunzgerhard, geschossen wurde, fand man einen geeigneten Platz im Reusli. Aber bereits 1882 musste man einem Neubau weichen. 1895 konnten vom Pfarrer wahrscheinlich Land vom Kirchenund Schulgut gemietet und 8 Kehrscheiben erstellt werden. Drei Jahre später wurde eine Schiesshütte aus Rundhölzern und Ziegeldach für rund 370 Franken erstellt. Dieser Stand konnte wiederum wegen eines Neubaus nur kurze Zeit verwendet werden und musste in Richtung Bierkeller verschoben werden. Leider sind in der Schiessplatzfrage die Protokolle sehr mangelhaft.
Regelmässig wurden Ehr- und Freischiessen durchgeführt, diese wurden an Vereinsversammlungen kurzfristig auf einen Sonntag angesetzt. Da dazu auch auswärtige Schützen eingeladen waren, wurde dafür mit Inseraten in der Presse geworben. Die Vereinsmitglieder wurden zu separaten Übungen aufgeboten, da im Feld zuerst der geeignete Platz gefunden und getestet werden musste. Die Mitglieder hatten für das Schiessen Gaben im Wert von mindestens 5 Franken mitzubringen. Von auswärtigen Schützen mussten dem Vorstand bis am Samstagabend Gaben im Wert von mindestens 6 Franken zugestellt werden. Das waren verhältnismässig grosse Gaben, verdiente doch im selben Jahr eine Haushalthilfe in der Woche gerade mal 4 Franken.
Der Sissacher Ueli Oberli kennt sich im Schiesswesen aus. Er war während 17 Jahren Kassier und Präsident der ehemaligen Feldschützen Sissach und in den 1960er-Jahren Präsident der Baukommission der Schiessanlage Limperg. Er ist immer noch aktiver Schütze.
Dritter Teil einer fünfteiligen Serie zur Geschichte des Schiesswesens in Sissach. Bisher erschienen: «Schiessen um Hosen und Schürletz» (3. August, Seite 15); «Eine ‹Pflanzstätte treuer Bürger›» (9. August, Seite 12).
Auszug aus dem Schiessplan der Feldschützen 1890
1 Schiessübung hinter dem Bahnhof, Distanz 225 m, 300 m und 400 m, Sonntag, 13 Uhr
2 Schiessübungen hinter dem Bahnhof, Distanz 225 m, 300 m und 400 m, Sonntag, 6 Uhr
1 Schiessübung im Alpbad, Distanz 300 m und 600 m, Sonntag, 13 Uhr