«Wir haben kein Geld für Luxusprojekte»
20.06.2025 GelterkindenKunststoff statt Chromstahl – «Gmäini» fällt Entscheid zur Schwimmbadsanierung
Die Gelterkinder Gemeindekommission erlebte einen äusserst erfolgreichen Abend: Gleich mehrere ihrer Anträge wurden am Mittwoch von der Gemeindeversammlung angenommen. ...
Kunststoff statt Chromstahl – «Gmäini» fällt Entscheid zur Schwimmbadsanierung
Die Gelterkinder Gemeindekommission erlebte einen äusserst erfolgreichen Abend: Gleich mehrere ihrer Anträge wurden am Mittwoch von der Gemeindeversammlung angenommen. Thematisch ging es dabei um die Badi, um Strassen und Wahlen.
Janis Erne
Es war eine Gemeindeversammlung, wie sie in einem politischen Lehrbuch stehen könnte: Trotz Hitze, vieler Traktanden und mehrerer Anträge verliefen die Diskussionen in Gelterkinden am Mittwochabend sachlich, ruhig – und humorvoll. Für Schmunzeln sorgte etwa Gemeinderat Matthias Schürch, als er Gemeindekommissionsmitglied und Anwaltssohn Jakob Baader bei einem komplizierten Antrag der Kommission fragte, ob er zur Klärung nicht Juristen in der Familie habe …
Kurz vor 22.30 Uhr schloss Christoph Belser eine mehr als dreistündige Versammlung. Wie viele andere, war auch der Gemeindepräsident sichtlich ermüdet. Denn zuvor war einiges passiert. Aber eins nach dem anderen.
Sogar Gemeinderat schwenkt um
Heraus sticht der Entscheid der Gemeindeversammlung, das 50-Meter-Becken und das Sprungbecken im Freibad mit einer Kunststofffolie zu sanieren. Der Gemeinderat hatte der «Gmäini» eine Chromstahl-Variante empfohlen, die zwar höhere Investitionskosten mit sich gebracht hätte, aber auf die Lebensdauer gesehen wohl günstiger geworden wäre. Auch sei sie in ökologischer und hygienischer Hinsicht vorteilhaft, so Belser.
Die Gemeindekommission stellte den Gegenantrag, weiterhin auf Folie zu setzen. Nach einer kurzen Debatte entschied sich die Versammlung mit 53 zu 31 Stimmen für diese Lösung. Interessant: Selbst der Gemeinderat sprach sich mehrheitlich für die Folien-Variante aus – entgegen seiner eigenen Abstimmungsempfehlung. Die Argumentation der Gemeindekommission liess offensichtlich auch einige Mitglieder der Exekutive umschwenken.
Kommissionssprecher Remo Schraner sagte, die Gemeinde habe nicht genügend Mittel für die «teurere Chromstahl-Variante», zumal niemand wisse, welche Vorschriften in 30 oder 50 Jahren gelten würden und ob das Chromstahlbecken nicht früher ausgetauscht werden müsste. «Mit der Folie können wir besser auf unerwartete Entwicklungen reagieren», so Schraner. Jakob Baader äusserte sich pointierter: «Wir haben kein Geld für Luxusprojekte.»
Gemeindepräsident Belser verwies unter anderem auf die deutlich kürzere Lebensdauer der Folie und die «wahrscheinliche Betonsanierung» beim Folienwechsel – letztlich vergeblich: Statt rund 2 Millionen Franken (Chromstahl) nimmt die Gemeinde nun etwa 1,1 Millionen Franken (Folie) in die Hand. Zusätzliche 336 000 Franken steuert voraussichtlich der Kanton bei. In der Sanierung enthalten sind auch neue Überlauf- und Entwässerungsrinnen.
Ein zweiter Antrag der Gemeindekommission zur Badi wurde ebenfalls gutgeheissen. Der Gemeinderat wurde beauftragt, bis Dezember 2026 ein Konzept zu erarbeiten, um die Finanzierung des Hallenbads breiter abzustützen. Die Idee: Umliegende Gemeinden sollen durch Verhandlungen dazu gebracht werden, sich am jährlichen Defizit von rund 1 Million Franken zu beteiligen. Das Konzept soll die möglichen Gemeinden definieren und die angestrebte Beitragshöhe aufzeigen. Für die Gemeindekommission ist klar: «Es soll sich nicht nur um einen symbolischen Beitrag handeln», so Remo Schraner.
Neuigkeiten zum Hallenbad enthält auch die Rechnung 2024 der Gemeinde Gelterkinden, die unter anderem dank Neubewertungen von Liegenschaften und nur wenigen Investitionen mit einem Überschuss von fast 1,68 Millionen Franken abschliesst. Aus den Unterlagen geht zum einen hervor, dass die Gemeinde auf dem Sachschaden des Einbruchs ins Hallenbad im August 2023 sitzenbleibt: «Die Forderung an die im Ausland lebende Täterschaft ist nicht einbringbar und muss abgeschrieben werden.» Zum anderen heisst es darin, dass die Platten und Fugen im Hallenbad Mängel aufweisen, die «mutmasslich auf mangelhafte Plattenlegerarbeiten zurückzuführen sind». Der Schaden wird auf bis zu 1,5 Millionen Franken beziffert – ein Gerichtsverfahren läuft.
Angst vor Strassenbeiträgen
Zu reden gab die Aktualisierung des Strassenreglements. Dieses und andere veraltete Reglemente hat der Gemeinderat in Zusammenarbeit mit dem Kanton und dem eidgenössischen Preisüberwacher überarbeitet. Für Verwirrung und Ängste sorgte ein Passus zum sogenannten Sondervorteil. Dieser besagt, dass sich Anstösser an Strassensanierungen beteiligen müssen, wenn sie dadurch in mehrfacher Hinsicht profitieren – etwa durch eine bessere Strasse und eine bessere Beleuchtung. Die Gemeindekommission sah darin die Gefahr, dass Hauseigentümer finanziell erheblich belastet werden könnten.
Der Gemeinderat betonte, dass er sich auf einen Katalog des Kantons stütze und bei normalen Strassensanierungen keine Sondervorteilsbeiträge von Anstössern fordern würde. Am Ende setzte sich trotzdem ein Antrag der Gemeindekommission durch, der Kontrollmechanismen vorsieht – etwa eine unabhängige Schätzung des Mehrwerts einer Strassensanierung und eine Beitragsobergrenze.
Die geplante Sanierung des Farnsbergwegs für fast 1,1 Millionen Franken wurde grossmehrheitlich gutgeheissen. Zuvor hatte es Missverständnisse über eine mögliche Verbreiterung der Strasse in der Nähe des Bahnübergangs gegeben. Diese, so der Tenor, müsse mit den Anstössern zuerst abgesprochen werden, sodass nicht unnötigerweise öffentliche Grünflächen verschwinden. Für Unmut sorgte, dass der Gemeinderat wiederholt direkt mit einem Investitionskredit an die «Gmäini» gelangte. Ein Einwohner meinte, der Ablauf sei falsch: Zunächst müsse ein Planungskredit beantragt werden, um die Planung aufgleisen und offene Fragen klären zu können. «Es ist hoffentlich das letzte Mal, dass ihr direkt mit einem Baukredit kommt. Dieses ‹Gewurstel› muss aufhören», sagte er – und erntete Applaus aus der Versammlung.
Schliesslich wurde die Gemeindeordnung in verschiedenen Punkten angepasst. So können künftig auch Lehrpersonen Gemeindebehörden und ihren Kontrollorganen angehören. Das war zuvor nicht möglich, wie Annemarie Spinnler 2024 erfahren musste: Wegen der damals geltenden Unvereinbarkeit konnte die Primarlehrerin ihr Amt als Mitglied der Gemeindekommission nicht antreten (die «Volksstimme» berichtete).
Zum Schluss der Versammlung gab Gemeindepräsident Belser bekannt, dass eine Einwohnerin den Antrag gestellt habe, ab sofort eine Grüngutabfuhr im Dorf einzuführen. Der Gemeinderat werde sich mit der Sache beschäftigen. Hintergrund des Antrags ist die Verschiebung des Grüngutcontainers vom Werkhof Fääli zur Sammelstelle auf dem Zeughausareal, die für manche Einwohner längere Wege mit sich brachte (die «Volksstimme» berichtete).