«Noh-Uffert»: Ein Festanlass mit Tradition

Dieses Wochenende findet in Buckten die «Noh-Uffert» statt. Ein Blick in ihre Geschichte zeigt, dass unser Wissen über sie leider ziemlich lückenhaft ist.

Martin Stohler

Über die Anfänge der «Noh-Uffert» in Buckten kursiert seit Langem eine Geschichte, die auch Aufnahme in das Heimatkundebuch von Buckten gefunden hat. So soll jeweils am Sonntag nach Auffahrt der Landvogt von der Homburg ins Dorf herabgestiegen sein, um über fehlbare Untertanen Gericht zu halten und den heiratswilligen Paaren das Jawort abzunehmen. Zu diesem Zweck habe er die jungen Burschen und Frauen paarweise zusammengestellt. Dabei sei er nicht immer zimperlich vorgegangen, sodass man aufpassen musste, dass man mit dem Richtigen respektive der Richtigen zusammenkam. Danach gab es bei Musik und Tanz ein fröhliches Fest.

Die Geschichte ist zu schön, um wahr zu sein. Historische Dokumente, die sie als plausibel erscheinen lassen, gibt es nicht. Das «überlieferte» Bild der «Noh-Uffert» dürfte nämlich weniger historischen Fakten geschuldet sein als dem Theaterstück «D Noo-Uffert z Buckte» des Läufelfinger Dichters und Dramatikers Hugo Strub (1896–1941).

Landvogt Gemuseus
Strub hat die Handlung ins Frühjahr 1797 gelegt, als das Donnergrollen der Französischen Revolution auch bei uns zu hören war. Die Homburg steht zwar noch, doch in den Gaststuben schwingt man schon revolutionäre Reden. Hans Gysin, der Sohn des vermögenden Läufelfinger Botts, und Anneli, die Tochter der Witwe Wagner, haben ganz andere Sorgen. Die beiden wollen heiraten, doch Bott Gysin hat andere Pläne für seinen Sohn. Dieser soll die Tochter des Baders von Buckten heiraten. Babettli Flubacher, des «Sonnen»-Wirts Tochter, bekommt allerdings Wind vom geplanten Handel und macht den beiden Vätern einen Strich durch die Rechnung. Kurz entschlossen setzt sie Landvogt Philipp Gemuseus ins Bild – die Ehefrau des Landvogts ist ihre Gotte –, und dieser schaut an der «Noh-Uffert» nach gehaltener Gerichtsbarkeit, dass die Richtigen zusammenkommen. Nachdem die Eheverkündigungen abgeschlossen sind, reibt sich der Landvogt zufrieden die Hände und sagt zum Schluss: «So iir Lütli us em Homburger Amt, jetzt erscht fangt aigetli d Noo-Uffert a! Wärs kha, soll sich hüt in Eere luschtig mache. Aber z allererscht singe mer no ains! Buebe und Maitlene, stimmet a!»

Vom Theaterstück zum Gemälde
Hugo Strub verfasste sein Theaterstück in den 1930er-Jahren. Die Uraufführung durch den Arbeitermännerchor Läufelfingen fand im Februar 1938 statt. Das Stück und seine Inszenierung durch den Lehrer Ernst Schaub fanden beim Publikum derart Anklang, dass sich der Verein gerne dazu bewegen liess, das «einzig- und eigenartige Heimatstück» ein zusätzliches Mal zu spielen. Damit entsprach er, wie die «Volksstimme» in einem Bericht bemerkte, «dem Wunsch von vielen, hauptsächlich von auswärts».

Das Theaterstück fand über Läufelfingen hinaus Beachtung. Im Winter 1971/72 wurde es vom Musikverein Buckten in einer legendären Inszenierung von Rudolf Hofmann in fünf Vorstellungen erneut aufgeführt. Ein drittes Mal in Genuss des Heimatstücks kam das Publikum 1992 in Läufelfingen in acht Freilichtaufführungen vor imposanter Kulisse.

Das grosse Fassadengemälde am Landi-Gebäude in Buckten ist offensichtlich durch Hugo Strubs Theaterstück inspiriert. Entworfen wurde es von Bruno Corradi, an der Ausführung im Jahr 1976 war auch Oskar Blum beteiligt. Den Hauptblickfang bildet eine Dreiergruppe mit dem Landvogt und dem Brautpaar. Links vom Landvogt halten zwei Bannerträger Fahnen mit den Wappen von Buckten und Läufelfingen. Etwas in den Hintergrund gerückt, beobachten Mädchen und Buben das Geschehen. Weiter rechts bildet die Lebkuchenverkäuferin, die im Theaterstück einen markanten Auftritt hat, einen weiteren Schwerpunkt. Neben den Lebkuchen warten diverse Marktwaren auf Käuferinnen und Käufer. Den Abschluss bilden zwei Musikanten, die zum Tanz aufspielen. Auf dem Fassadenbild sind es ein Handorgelspieler und ein Klarinettist, bei Strub ein Klarinettist und ein Geiger.

Einen Pfarrer sucht man auf dem Wandbild wie auch im Theaterstück vergeblich. Das lässt den Historiker stutzen. Denn unter dem Ancient Régime war es eigentlich der Pfarrer, der die Ehen verkündete und die Trauungen vornahm. Ihm oblag es auch, Taufen, Todesfälle und Eheschliessungen in den Kirchenbüchern zu vermerken. Es ist daher unwahrscheinlich, dass Philipp Gemuseus, Basler Obervogt im Amt Homburg von 1786 bis 1798, an der «Noh-Uffert» quasi als Zivilstandsbeamter wirkte. Als Dichter durfte sich Hugo Strub diese Freiheit herausnehmen. So wie das Theaterstück angelegt ist, war dieser Auftritt des Landvogts nötig, um das Ganze einem glücklichen Ende zuzuführen.

Tanz und Ausgelassenheiten
Punkto Anfänge der Buckter «Noh-Uffert» gibt es leider grosse Wissens- und Forschungslücken. Der Baselbieter Kulturhistoriker Eduard Strübin widmet der «Auffahrt und Nachauffahrt» in seinem Buch «Jahresbrauch im Zeitenlauf» immerhin ein kurzes Kapitel, das auch etwas Licht auf den Hintergrund der «Noh-Uffert» wirft. Die von Strübin gefundenen Zeugnisse zeigen, dass spätestens ab dem 18. Jahrhundert im Mai und insbesondere um die Auffahrtszeit an diversen Orten im Baselbiet Tanzanlässe mit «Chilbi»-Charakter stattfanden. So wetterte etwa im Juni 1713 der Gelterkinder Pfarrer dagegen, dass «die jungen Leute auf die Auffahrt in dem Sennhaus zu Farnsburg getanzet und andere Ausgelassenheiten gewürket» hätten. Ein beliebter Ausflugsort war auch Bad Ramsach. In Buckten muss es damals um die Auffahrt ebenfalls lustig zugegangen sein. Friedrich Aenishänslin aus Gelterkinden, der von 1815 bis 1890 lebte, berichtet in seinen Erinnerungen, dass man um 1830 fast «aus dem halben Bezirk Sissach nach Buckten ging, wo es von Alters her wie ein rechtes Volksfest war». Auch dieses Jahr rechnet man in Buckten mit einer Vielzahl von Besucherinnen und Besuchern. Auf sie warten diverse Angebote und Attraktionen und ein vergnügliches Fest für alle.

Zum Weiterlesen:
Hugo Strub: «Goot eine durs Daal und het dr Sinn derfür nit» – Texte aus dem Nachlass, ausgewählt und herausgegeben von Susanna Ludwig, Liestal 1991.
Eduard Strübin: «Jahresbrauch im Zeitenlauf – Kulturbilder aus der Landschaft Basel», Liestal 1991.

Dichtung und Wahrheit

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