Gemeinde möchte Strasse loswerden
11.06.2025 Bezirk Waldenburg, Gemeinden, Baselbiet, ReigoldswilDer Baudirektor ist nicht interessiert
Um beim Strassenunterhalt zu sparen, hat der Reigoldswiler Gemeinderat auf den Gemeindestrassen ausserhalb des Siedlungsgebiets ein Gewichtslimit verfügt, und die Seewenstrasse möchte er am liebsten loswerden. Der Kanton will sie aber ...
Der Baudirektor ist nicht interessiert
Um beim Strassenunterhalt zu sparen, hat der Reigoldswiler Gemeinderat auf den Gemeindestrassen ausserhalb des Siedlungsgebiets ein Gewichtslimit verfügt, und die Seewenstrasse möchte er am liebsten loswerden. Der Kanton will sie aber nicht.
Christian Horisberger
In den vergangenen Jahren hat der Kanton den Reigoldswiler Dorfplatz erneuert,die gesamte Unterbielstrasse saniert und obendrein das Bett der Hinteren Frenke erneuert. Dafür ist Gemeindepräsident Fritz Sutter dem Kanton sehr dankbar, wie er betont. Aber: Die Gemeindefinanzen stehen unter Druck, der Steuerfuss ist mit 66 Prozent bereits sehr hoch und der Handlungsspielraum zur Entlastung der Rechnung gering. Deshalb erhofft sich die Gemeinde vom Kanton Hilfe, um die Kosten für den Strassenunterhalt zu senken, der jährlich mit 150 000 Franken zu Buche schlägt. So hat der Gemeinderat dem Baselbieter Bau- und Umweltschutzdirektor Isaac Reber (Grüne) die Sachlage in einem Brief dargelegt und ein Gespräch vorgeschlagen. Dabei soll erörtert werden, wie die Herausforderungen im Bereich des Strassenunterhalts in Reigoldswil gemeinsam gemeistert werden könnten.
In dem Schreiben hält der Gemeinderat auch fest, dass er diesen Frühling bereits über eine Gewichtsbeschränkung von 28 Tonnen auf Gemeindestrassen der Klasse 3 verfügt hat – das sind Strassen mit einer Mindestbreite von 2,80 Metern ohne speziellen Unterbau mit Asphalt- oder Mergelbelag. Mit diesem Beschluss stach der Gemeinderat in ein Wespennest. Forstrevier, lokales Gewerbe und Landwirte seien darüber gar nicht glücklich gewesen, sagt Fritz Sutter, denn deren Fahrzeuge seien oft deutlich schwerer als das Gewichtslimit, was für sie Umwege bedeute.
Kompromiss mit Nutzern
Es kam zu einem Treffen mit den Betroffenen – und einer Vereinbarung, so der Gemeindepräsident: Die Gewichtsbeschränkung werde nicht ausgeschildert und damit faktisch auch nicht umgesetzt. Im Gegenzug hätten sich die Betroffenen bereit erklärt, die betroffenen Strassen entweder zu umfahren und damit längere Fahrzeiten in Kauf zu nehmen oder aber an exponierten Stellen wie Kurven besonders langsam zu fahren, um die Strassen nicht übermässig zu belasten. Laut Sutter ist eine Absichtserklärung mit den Inhalten der Besprechung in Vorbereitung, und es sei vorgesehen, dass sich die Gruppe wieder treffen wird. Der Präsident ist zufrieden: «Wenn man die Situation auf den Tisch legt und miteinander redet, kommt man mindestens so weit wie mit einer Verbotstafel.»
Das Gewicht der Fahrzeuge ist nur ein Teil des Problems. Das andere ist das Verkehrsvolumen, insbesondere auf der Seewenstrasse, die im unteren Dorfteil von der Kantonsstrasse abgeht und via Holzenbergstrasse nach Seewen, Grelligen und auf die A18 führt. «Auf diesem Weg ist man schneller im Unterbaselbiet, als über die Kantonsstrasse und die Autobahn», sagt Fritz Sutter. Dies ist in der Region wohl bekannt: Laut einer kürzlichen Verkehrszählung der Baselbieter Polizei befahren an einem Werktag rund 500 Fahrzeuge das 2 Kilometer lange Strassenstück. Da es nur wenige Stellen gebe, wo die Strasse breit genug zum Kreuzen ist, werde häufig auf die Wiese ausgewichen, weshalb es am Strassenbelag Abbruchstellen gibt, so Sutter, «die Bauern haben daran auch keine Freude».
Im Gemeinderat ist man der Meinung, dass die Seewenstrasse aufgrund ihrer Nutzung als Durchgangsstrasse gelten und unter die Hoheit des Kantons fallen müsste, womit die Gemeinde von der Unterhaltspflicht befreit wäre, auch wenn dies im Schreiben an BUD-Vorsteher Reber so deutlich nicht gesagt wird. Umso klarer hat der Baudirektor Reigoldswil in seiner Antwort einen Korb gegeben, wie Gemeindepräsident Sutter zur «Volksstimme» sagt. Das Verkehrsaufkommen sei aus Sicht des Kantons zu gering, um Ansprüche an ihn stellen zu können. Für den Kanton bestünden somit keinerlei Pflichten und das Gesetz kenne keinen Spielraum für eine Zusammenarbeit oder Abgeltung. Ebenfalls kein «Musikgehör» hat Reber für die Feststellung des Reigoldswiler Gemeinderats, dass Bund und Kanton ihre Strassen mit dafür eingezogenen Steuern finanzieren könnten, während die Gemeinden in ihren allgemeinen Steuertopf greifen müssten. Zwar seien 72 Prozent der Schweizer Strassen im Besitz der Gemeinden, doch sei die Verkehrsbelastung der Bundes- und Kantonsstrassen deutlich höher. Ausserdem würden Gemeinden im Gegensatz zum Kanton Strassenbaukosten auf Anstösser abwälzen können.
Nur einzelne Gemeinden betroffen
Laut Sutter weist Isaac Reber in seiner Antwort zudem darauf hin, dass das kantonale Tiefbauamt für Fachauskünfte zu Strassenbau und -unterhalt zur Verfügung stehe sowie auf das Agglomerationsprogramm Basel, das für spezifische Anpassungen von Gemeindestrassen Beiträge leisten könne. Immerhin. Für den Gemeindepräsidenten sind dies Ansatzpunkte, um die Kosten für den Strassenunterhalt reduzieren zu können. Ausserdem hofft er, in weiteren Dörfern eine Debatte über den Strassenunterhalt lostreten zu können. Allenfalls lasse sich auch auf diesem Weg etwas erreichen.
Dass Reigoldswil eine Lawine auslöst, ist eher unwahrscheinlich. Wenn bei den Gemeinden aktuell von Kostendruck die Rede ist, dann eher durch Bildung und Soziales. «Das Thema Strassenkosten wird nicht häufig an uns herangetragen», sagt denn auch Nadine Jermann, Präsidentin des Verbands Basellandschaftlicher Gemeinden, auf Anfrage. Aber: «Je nach dem sind die Strassenkosten für kleine Gemeinden mit einem grossen Bann nicht zu unterschätzen.» Dort könnten auf wenige Einwohner viele Kilometer Gemeindestrassen kommen. Oder – eben – spezielle Strassenabschnitte verhältnismässig stark befahren sein.
Sollten die Reigoldswiler keine Hilfe bekommen, werden sie die in den nächsten Jahren fällige Sanierung der Seewenstrasse ganz alleine stemmen müssen. Nach ersten Abklärungen werden dafür – je nach Ausführung – eine Viertel- bis eine halbe Million Franken fällig.