Dem Ranger entgeht nichts
06.06.2025 Bezirk Liestal, Natur, Baselbiet, BubendorfMit Chef-Parkwächter auf dem Wildenstein unterwegs
Sechs Ranger sorgen dafür, dass in den drei beliebtesten Baselbieter Naturschutzgebieten Wildenstein, Talweiher und Reinacher Heide die Regeln eingehalten werden. Als wir mit Yannick Bucher durch den Eichenhain streiften, ...
Mit Chef-Parkwächter auf dem Wildenstein unterwegs
Sechs Ranger sorgen dafür, dass in den drei beliebtesten Baselbieter Naturschutzgebieten Wildenstein, Talweiher und Reinacher Heide die Regeln eingehalten werden. Als wir mit Yannick Bucher durch den Eichenhain streiften, waren die Verstösse klein. Das ist aber nicht immer so.
Andreas Hirsbrunner
Beim Begriff Ranger denkt man in erster Linie an die Parkwächter in den weitläufigen amerikanischen Nationalparks wie dem Yellowstone, die für Menschen gefährlich gewordene Bären jagen oder vermisste Touristen suchen. Ranger gibt es seit zwei Jahrzehnten auch im Baselbiet, doch sind hier die Herausforderungen in den kleinräumigen Naturschutzgebieten ganz andere. Um welche es dabei geht, davon machten wir uns ein Bild im Gebiet Wildenstein ob Bubendorf, wo wir den 36-jährigen Baselbieter Chef-Ranger Yannick Bucher begleiteten.
Nun, es war ein «atypischer Tag», wie Bucher nach vierstündigem Durchstreifen des schweizweit einzigartigen Eichenhains mitsamt Umgebung bilanzierte. Die Zahl von 137 Ausflüglern – Familien, Wanderer, Joggerinnen, Grillierer, Reiterinnen und Biker – war unterdurchschnittlich für diesen prächtigen Tag, die vorgekommenen Missachtungen der strengen Naturschutz-Vorschriften kaum der Rede wert und entsprechend ruhig der Dienst für Bucher. Denn hiesige Ranger werden nicht durch Naturgefahren herausgefordert, sondern in erster Linie durch uneinsichtige Menschen.
Beruf des Rangers im Wandel
Das ist mittlerweile auch in die Ranger-Ausbildung eingeflossen. Bucher erzählt: «Früher waren Bewerber aus den sogenannten grünen Berufen – Landwirte, Forstwarte, Biologen – prädestiniert für den Job eines Rangers. In den vergangenen Jahren wurden neben Naturkenntnissen Bereiche wie Kommunikation und Recht immer wichtiger, sodass heute auch Journalisten oder Juristen Ranger sind.» Der Verband der «Swiss Rangers» zählt derzeit 450 Mitglieder, die den eineinhalbjährigen Ausbildungsgang am Bildungszentrum Wald in Lyss absolviert haben. Ziel sei, dass 2027 der erste Ranger-Lehrgang mit eidgenössischer Anerkennung starte, sagt Bucher.
Im Baselbiet stehen derzeit sechs Ranger in Diensten des Naturschutzdienstes Baselland, welche die drei meist begangenen Naturschutzgebiete Wildenstein, Talweiher zwischen Rothenfluh und Anwil sowie Reinacher Heide betreuen (Details siehe Kasten). Sie alle sind von der Umweltberatungsfirma Hintermann & Weber in Reinach angestellt, die über einen Leistungsauftrag des Kantons verfügt. Zu den Aufgaben der Ranger gehört, Informationsanlässe wie Führungen oder Erlebnistage für Schulklassen durchzuführen, die drei erwähnten Naturschutzgebiete auf die Einhaltung der Regeln zu kontrollieren, sie zu unterhalten, Neophyten zu beseitigen sowie periodisch verschiedene Vogel-, Amphibien- und Pflanzenarten zu zählen.
Die Kommunikationsfähigkeiten von Yannick Bucher werden an diesem Tag nicht ernsthaft auf die Probe gestellt. Ein freundliches «Bucher ist mein Name, ich bin vom Ranger-Dienst» genügt schon, damit die wenigen, welche die Regeln missachten, sofort einsichtig sind. So zwei Frauen, die es sich auf einem umgefallenen Eichenstamm ein paar Meter abseits des Weges gemütlich gemacht haben. Eine reagiert mit: «Oh, dürfen wir nicht hier sitzen?» Und als Bucher nickt, packen sie ihre Siebensachen umgehend zusammen und kommen durchs hohe Gras auf den Weg zurück.
Oder jenes esoterisch angehauchte Paar, das auf dem Boden eines schmalen Weges inmitten des Eichenhains sitzt und dessen Hund an einem Holzstück knabbert. Dabei trägt er zwar eine Leine, deren anderes Ende aber niemand in der Hand hält. Als sich Bucher, gekleidet in der typischen Ranger-Uniform, beim Paar vorstellt und auf die strikte Leinenpflicht im Naturschutzgebiet verweist, reagiert die Frau gefasst: «Bekommen wir jetzt eine Busse?» Buchers Nein wird so zum Auftakt eines munteren Dialogs, bei dem das Paar den erfahrenen Ranger – er ist schon seit zehn Jahren im Amt – mit Fragen löchert.
Hierbei blitzt das grosse Naturwissen des studierten Geo-Wissenschaftlers auf. So erläutert er, dass die Zukunft der alten Eichen nicht nur wegen zunehmender Trockenheit sowie Bakterien- und Pilzkrankheiten, sondern auch wegen des hohen Stickstoffeintrags nicht rosig sei: «Heute ist alleine der Stickstoffeintrag durch die Verbrennungsmotoren flächendeckend so hoch wie im Mittelalter jener unmittelbar um die Höfe, wo die Bauern ihren Mist ausbrachten.» Auf die Standardfrage, wie alt denn die Wildenstein-Eichen seien, antwortet Bucher: «Wir können das bei den meisten Bäumen nicht sagen, weil sie innen hohl sind. Dies wegen Feuchtigkeit und Pilzen. Das schadet ihnen aber nicht, weil die Wasser- und Zuckerversorgung über die äusseren Stammschichten läuft.» Eine der ältesten Eichen, bei der die Jahresringe gezählt werden konnten, habe Jahrgang 1478.
Die Leinenpflicht begründet der Ranger gegenüber dem Paar mit der fürs Baselbiet relativ hohen Artenvielfalt bei den Säugetieren mit Hase und Hermelin als Highlights. Noch beachtlicher ist auf Wildenstein die Vogelwelt mit allen heimischen sechs Spechtarten – vom Klein- bis zum Schwarzspecht –, Gartenrotschwanz, Neuntöter, Hohltaube und dem allerdings nur gelegentlich hier brütenden Kuckuck und Pirol.
Freie Hunde sind Dauerbrenner
Die Leinenpflicht für Hunde sei auch der grösste Konfliktpunkt auf Wildenstein. Er habe deswegen zahlreiche Beschimpfungen und sogar Drohungen anhören und einmal auch die Polizei einschalten müssen, als ein Wiederholungstäter seine Personalien nicht habe angeben wollen. Uneinsichtige Hundehalter würden angezeigt und später von der Staatsanwaltschaft je nach Schwere des Falls mit einer Busse von 150 bis 500 Franken belegt. Ebenfalls mit einer Anzeige rechnen müsse, wer widerrechtlich die Fläche mit der raren Orchideenart Kleines Knabenkraut betrete oder Drohnen über das Schutzgebiet fliegen lasse.
Bucher registriert bei der Bevölkerung abnehmende Naturkenntnisse. Das falle vor allem in der Reinacher Heide auf, die mit ihrem Charakter eines Stadtparks von einer breiten Bevölkerung genutzt werde, während auf Wildenstein mehr Naturinteressierte unterwegs seien. Eine Kostprobe, wie es die jüngste Generation mit der Natur hält, gibt uns auf unserem Rundgang ein sechsjähriger Knabe, der mit seinem Vater eine Schnitzeljagd vorbereitet. Im Gespräch mit dem Vater verweist Bucher auf die bestehende Jugend-Ranger-Gruppe und gibt ihm einen entsprechenden Flyer. Der Sohn sieht sich ihn an und ruft aus: «Was, Ameisen erforschen? So etwas Langweiliges. Ich will Schlagzeug und Fussball spielen und nichts anderes.»
Ob er je über Fähigkeiten verfügen wird, wie sie Bucher auszeichnen? Mit seinen wachen Sinnen entgeht dem Ranger nichts. Sei es ein Fuchs, der in der Ferne über ein Feld schleicht, ein Neuntöter, der gut getarnt auf einer Hecke sitzt, der kaum wahrnehmbare Rauchgeruch eines weit weg entzündeten Grillfeuers oder ein Eichenästchen, das eine vorübergehende Frau entgegen den Parkregeln in der Hand hält – was aber keine Konsequenzen für sie hat. «Ich scanne immer alles ab – mit den Augen, den Ohren und der Nase.» Was typisch für einen Ranger sein dürfte, ob hier oder in Amerika.
Die drei Naturschutzgebiete von nationaler Bedeutung
hi. Die Baselbieter Ranger arbeiten in drei Naturschutzgebieten, die unterschiedlicher kaum sein könnten. Verbindend ist, dass sie von nationaler Bedeutung und bei der Bevölkerung sehr beliebt sind.
Das rund ein Quadratkilometer grosse Wildenstein-Schutzgebiet besticht mit seinem uralten und schweizweit einmaligen Eichenhain als zentralem Element. Die mächtigen Bäume sind Biotop für gegen 1000 Organismen, die an und von ihnen leben. Unmittelbar neben dem Schutzgebiet steht als weiterer Anziehungspunkt die sehr gut erhaltene Höhenburg Wildenstein aus dem 12. Jahrhundert.
Das Gebiet Talweiher am Ergolz-Oberlauf hat sich mit seinen in den 1960er-Jahren künstlich angelegten Weihern zu einem sehr wertvollen Amphibienlaichgebiet entwickelt. Es umfasst einen halben Quadratkilometer und beherbergt als weitere Attraktion mindestens eine Biberfamilie. Vermutlich seien es inzwischen sogar zwei, sagt Ranger Yannick Bucher. Als faszinierendes Resultat ihrer Stau-Arbeit ist die Ergolz oberhalb der Weiher zu einer weitverzweigten Wasserfläche geworden.
Die Reinacher Heide ist mit 39 Hektaren das kleinste, aber am stärksten frequentierte Naturschutzgebiet. Die jährliche Besucherzahl schätzt Bucher auf 100 000. Für viele ist das Gebiet die nächstgelegene Grünfläche. Mit ihrem Mix aus Trockenstandorten und Auenlandschaft beherbergt sei fast die Hälfte aller im Baselbiet vorkommenden Pflanzenarten.