CARTE BLANCHE
24.01.2025 PolitikMut haben, es zu tun
Raymond Tanner, Gemeindepräsident Lauwil, parteilos
Im November hatten wir in der Familie ein Gespräch darüber, wie wir Weihnachten feiern wollen. Eine kurze, aber lebhafte Diskussion setzte ein und sofort ...
Mut haben, es zu tun
Raymond Tanner, Gemeindepräsident Lauwil, parteilos
Im November hatten wir in der Familie ein Gespräch darüber, wie wir Weihnachten feiern wollen. Eine kurze, aber lebhafte Diskussion setzte ein und sofort lagen fünf (!) Vorschläge auf dem Tisch, wie wir unser Familienweihnachten gestalten sollten. Bald meinte jemand, nur eine Abstimmung könne uns jetzt noch aus dem Dilemma führen. Ich widersprach mit der Begründung, dass eine Abstimmung zu diesem Zeitpunkt in jedem Fall zu Frustration führen würde, da wir noch nicht einmal begonnen hätten, die verschiedenen Vorschläge gegeneinander abzuwägen und auch nur einen minimalen Schritt in Richtung Konsens gemacht hätten. Ich wurde überstimmt und wir haben trotzdem abgestimmt. Das Ergebnis war, wie erwartet, ein Hochgefühl bei den Siegern und Frustration bei den Verlierern.
Das hat mich zum Nachdenken gebracht: Ist es bei dem einen oder anderen Thema in der Politik nicht ähnlich? Bevor eine Diskussion überhaupt beginnen kann, posaunen gewisse Exponenten ihre Ablehnung oder Zustimmung so laut heraus, dass es fast kein Zurück mehr gibt. So ist die Schweiz nicht gross geworden. Klar, eine Diskussion beginnt damit, dass jeder seinen Standpunkt vertritt, aber bitte so, dass danach noch eine Diskussion möglich ist.
Wir alle wissen, dass eine sachliche Diskussion auf Augenhöhe die besten Ergebnisse für alle Beteiligten bringt. Das ist genau der Konsens, der die schweizerische Politik über viele Jahrzehnte geprägt hat. Es braucht Mut, eine Diskussion zu führen und sie auch dann nicht abbrechen zu lassen, wenn man merkt, dass sich die Fronten verhärten oder wenn einzelnen Beteiligten die Energie ausgeht. Aber gerade dann ist es wichtig, die Diskussion nicht durch eine vorschnelle Beschlussfassung abzuwürgen, sondern nach Argumenten zu suchen, um sie wieder in Gang zu bringen.
Auch wenn das bedeutet, dass wir vielleicht der anderen Seite helfen müssen, den Druck auszuhalten. Denn auch das kann nicht jeder gleich gut, und es will gelernt sein. Wir alle wissen, dass es so am Ende besser rauskommt und eine Idee entsteht, mit der sich alle identifizieren können. Am Ende haben zwar alle etwas verloren, aber mehr gewonnen.
Ich wünsche uns allen, dass wir den Mut haben, über alle wichtigen Themen unseres Lebens eine Diskussion zu führen und sie so lange auszuhalten, bis Lösungen gefunden werden, die zum Ziel führen. Ich hoffe, dass dies auch im Rahmen des Europadossiers geschieht, das wieder auf dem Tisch liegt. Denn auch hier sind wir uns, glaube ich, einig, dass es für die Schweiz ein sehr wichtiges Thema ist, das unseren Wohlstand in den nächsten Jahrzehnten durchaus beeinflussen kann. Haben wir den Mut, die Diskussion zu führen und einen gemeinsamen Weg zu finden, der von links bis rechts getragen werden kann.
In der «Carte blanche» äussern sich Oberbaselbieter National- und Landratsmitglieder sowie Vertreterinnen und Vertreter der Gemeindebehörden zu einem selbst gewählten Thema.