EINFACH LEBEN
24.01.2025 BaselbietRot, grün und laut
Eigentlich habe ich den Zusammenhang zwischen Luxus und Glück stets bezweifelt. Jetzt bin ich mir nicht mehr so sicher, weil ich hier ganz andere Erfahrungen mache.
Das Glück ist rot und duftet. Wenn ich das Erdbeerfeld vom Kraut ...
Rot, grün und laut
Eigentlich habe ich den Zusammenhang zwischen Luxus und Glück stets bezweifelt. Jetzt bin ich mir nicht mehr so sicher, weil ich hier ganz andere Erfahrungen mache.
Das Glück ist rot und duftet. Wenn ich das Erdbeerfeld vom Kraut befreie und die reifen Früchte aus dem üppigen Grün leuchten, dann ist das Glück und Luxus zugleich. Wenn Johnny auf seinem neuen alten Traktor strahlend die Zufahrt herauf brettert, ist das Glück laut. Laut ist es auch, wenn mein Enkel Arturo in seinem Körbchen auf der Terrasse kräht und Yvonne den Akkuschrauber aus der Hand legt, um nach ihm zu sehen.
Der Luxus hingegen ist still. Eine vom Summen der Bienen erfüllte Stille ist wahrer Luxus. Ein Luxus, der intensive Glücksgefühle hervorruft. Auch Zeit ist Luxus. Zeit haben, um die unterschiedlichen Gräser zu zählen und zu bestimmen. Sich die Zeit nehmen, um Libellen beim Paarungsflug zu beobachten, in der Scheune einen grün gestreiften Frosch zu fangen und ihn zum Bach zu tragen, an den Blättern der Wildrosensträucher zu schnuppern, die intensiv nach grünem Apfel duften. Zeit, um die Wolken zu beobachten, die sich über den Andengipfeln ballen. Zeit auch, um Arturo zu hätscheln und auf dem holprigen Weg spazieren zu fahren. Da liegen Luxus und Glück erneut eng beisammen.
Dasselbe gilt, wenn ich nach einem Tag im Garten (zwei Dutzend imprägnierter Pfosten und einem neuen Zaun) heimkomme, mit einem Bier und einer Selbstgedrehten in den Liegestuhl auf der Terrasse falle und in den makellos blauen Himmel schaue. Und die ersten «Gschwellte» direkt aus dem Garten mit einem von Hermines Eiern kann ich ohne Weiteres als puren Luxus deklarieren. Ein Luxus, der köstlich schmeckt.
Glück ist auch Erinnerung. An damals, als das Haus in Rünenberg schon verkauft, meine Abreise aber noch drei Monate in der Zukunft lag. An Eva und Rico, die mir ihr Haus öffneten, mich aufnahmen wie ein Familienmitglied und liebevoll umsorgten. An meine liebste Claudia vom Bergli, teure und treue Freundin, mit der sich die Welt dank endloser Cappuccini und wunderbarer Gespräche immer wieder in Ordnung bringen liess. Solche Erinnerungen sind nicht nur Glück, auch sie sind wahrer Luxus. Der Luxus, solchen Menschen überhaupt begegnet zu sein.
Glück, alles durchdringendes und alles umfassendes Glück, kackt noch in die Windeln. Mein erstes Enkelkind ist vor gut zwei Monaten zur Welt gekommen und hat die Welt verändert. Sein Lächeln lässt nicht nur die Andengletscher schmelzen, es erleuchtet das ganze Universum.
Dass Schwangerschaft und Geburt ohne grössere Schwierigkeiten verlaufen sind, verdanken wir nicht zuletzt dem chilenischen Gesundheitssystem. Zwar bietet es nicht denselben Luxus wie das schweizerische, ist dafür aber für eine Chilenin ohne Einkommen, die Yvonne ja auch ist, völlig kostenlos. Wenn das nicht wahrer Luxus ist ...
Die Journalistin Christa Dettwiler ist 2022 gemeinsam mit ihrem Sohn und dessen Ehefrau von Rünenberg nach Chile ausgewandert. Sie erzählt regelmässig von ihrem Alltag.