Als das «Festzeit»-Fieber die Region überrollte

  26.09.2019 Baselbiet, Itingen

Wie Marko Djokics «Facebook des Oberbaselbiets» der internationalen Konkurrenz unterlag

In Spitzenzeiten zwischen 2006 und 2012 erreichte «Festzeit.ch» über 200 Millionen Klicks pro Monat und hielt mit den grössten Schweizer Internetseiten mit. Die Party-Community gibt es noch immer. Vor allem aus historischen Gründen.

Tobias Gfeller

Die letzten Fotobeiträge auf www. festzeit.ch stammen vom Februar 2018 aus der Partyarena A2 beim St. Jakob. Das A2 hat mittlerweile geschlossen. Auch auf der Party-Community läuft nicht mehr viel. Noch 1000 bis 2000 Klicks pro Monat verzeichnet die Website, verrät deren Gründer und Entwickler Marko Djokic. 2003 hat der Itinger, inspiriert von Party-Websites Tilllate, Lautundspitz und Partyguide «Festzeit» ins Leben gerufen. Im Oberbaselbiet war Djokic mit seiner Kamera an jeder noch so kleinen Turnhallen-Party präsent, lichtete die Partygänger ab und lud die Fotos auf seine Website hoch. Teenager begannen, sich auf www.festzeit.ch anzumelden, auf den Fotos zu markieren, eigene Fotos hochzuladen – auch gerne mal etwas freizügig –, Kommentare zu schreiben und miteinander online zu kommunizieren. Das Festzeit-Fieber überrollte die ganze Region Basel, insbesondere das Oberbaselbiet.

Es war neu, es war interessant – und es war der Schrecken vieler Eltern. Nach jeder Party folgte am nächsten Tag das Studieren der Fotos. Bin ich drauf? Sehe ich gut aus? Was schreiben die anderen Nutzer dazu? Es gab auf der anderen Seite Elternabende, Beratungen und Podiumsdiskussionen zum Thema Internetnutzung. Im Zentrum des Entsetzens zumeist «Festzeit». Marko Djokic, damals Informatikstudent und talentierter Programmierer, konnte die Aufregung nicht ganz verstehen und musste über die Verärgerung der Erwachsenen über das Internetverhalten ihrer Kinder lächeln.

«Festzeit-Paare haben geheiratet»
Rückblickend wirke dieses Entsetzen noch merkwürdiger, findet Djokic heute. «Bei Facebook und Instagram geht es noch viel weiter in die Privatsphäre hinein als bei Festzeit. Sich auf sozialen Plattformen zu zeigen, ist heute das Normalste der Welt.»

Djokic war ein Pionier der Online-Kommunikation. Er konnte zu den Glanzzeiten davon leben und hatte sogar Mitarbeiter, die an den Partys fotografierten und Kommentare kontrollierten. «Es gab noch kein Whatsapp und SMS kosteten. Da war Festzeit für die Teenager eine willkommene Alternative zu Chatprogrammen wie MSN und ICQ», erzählt der Informatiker. Festzeit.ch wurde so gross, dass die Chefs von Tilllate.ch in Zürich wenig begeistert über die Konkurrenz aus dem Oberbaselbiet waren. «Es wurde jedenfalls über mich geredet», sagt Djokic. Dabei schwingt auch der Stolz mit, das Leben der Teens und Twens in der Region mit der Party-Community während Jahren geprägt zu haben. «Festzeit hat damals Menschen verbunden und zusammengebracht. Es gibt etliche Paare, die später geheiratet haben.» Festzeit quasi als Vorreiter von Tinder und Co.

Keine Chance gegen Facebook
Doch warum hat es Festzeit nicht geschafft, die Bedeutung bis heute hochzuhalten? «Die Konkurrenz von Facebook und später von Instagram mit ihren Milliarden Dollars und Tausenden von Programmierern hat uns schon zugesetzt», erklärt Marko Djokic. Selbstkritisch sagt er: «Ich habe die Bedeutung des Smartphones unterschätzt.» Festzeit gab es zwar auch als App. Aber da war die Community-Plattform bereits überholt. Auch weil Marko Djokic die App nicht weiterentwickelte. «Mobile Daten waren damals viel teurer und deshalb kaum eine Option für die jüngeren Besucher.» Ob er seine Fehleinschätzung bereue? «Nein.» Es gebe immer Dinge, die sich anders entwickeln, als man es dachte. Er findet es schade, dass er diese «tolle Sache» nicht weiterführen konnte. Aber bereuen? «Nein.»

Trotz des Besucherrückgangs lässt Marko Djkokic «Festzeit.ch» online. «Aus nostalgischen Gründen. Damit die Nutzer alte Fotos anschauen und Kommentare lesen können.» Festzeit, das «Facebook des Oberbaselbiets», hat eben auch eine historische Komponente.

 


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