«Wichtig waren mir stets die Menschen»

  13.06.2019 Bubendorf, Politik

Elmar Gächter

Vorausschauend, gut vorbereitet, sachlich, sozial, stets im Interesse der Gemeinde handelnd. Wer den abtretenden Gemeindepräsidenten von Bubendorf einzuordnen versucht, kommt um diese Attribute nicht herum. Wie ein roter Faden ziehen sie sich durch seine 19 Jahre dauernde Tätigkeit in der Bubendörfer Exekutive, die er 15 Jahre lang präsidiert hat. Ihr ist er bis zuletzt treu geblieben. So hat er seinen Rücktritt frühzeitig mit den Gemeinderatsmitgliedern und vor allem auch mit seinem potenziellen Nachfolger als Gemeindepräsident abgesprochen. Kontinuität im Interesse des Wohlergehens seiner Gemeinde ist Erwin Müller wichtig, weit über den Ablauf seines Mandats hinaus.

Als politisch interessierter Einwohner, der mit seiner Frau in den Achtzigerjahren von Münchenstein nach Bubendorf übersiedelte, wäre Müller 1999 auf der Liste der Evangelischen Volkspartei mit einer hohen Stimmenzahl beinahe in den Landrat gewählt worden. Ein Jahr später folgte seine überzeugende Wahl als Parteiloser in den Gemeinderat. «Bei der Departementsverteilung war mir klar, dass ich nicht das Ressort Schule übernehmen wollte», sagt Erwin Müller, der 38 Jahre lang Schülerinnen und Schüler unterrichtet hat.

Das Ressort Soziales hingegen kam seiner ethischen Grundhaltung, die ihn bereits in seinen jungen Jahren unter anderem in Vorstandsfunktionen des Blauen Kreuzes geführt hatte, sehr entgegen. «Mir sind die Menschen wichtig, vor allem jene, die es nicht einfach haben.» Sein Ziel als Gemeinderat sei es stets gewesen, die Sozialhilfeempfänger möglichst schnell in die Selbstständigkeit zu führen. «Diese hängt stark mit dem Selbstwertgefühl der Menschen zusammen. Das habe ich auch im Schulbetrieb erlebt, wo leistungsschwächere Schülerinnen und Schüler ihre Freude und ihren Stolz zeigten, wenn es ihnen gelungen war, eine Lehrstelle zu finden», so Müller.

«Man gewinnt nicht immer»
Die 15 Jahre als Gemeindepräsident bleiben ihm in sehr guter Erinnerung. «Nicht, weil ich bestimmen konnte, sondern weil so viel Interessantes passiert ist.» Er spricht von einem sehr guten Teamgeist im Gemeinderatskollegium. Obwohl meistens aus Mitgliedern von Parteien zusammengesetzt, seien Entscheide des Gemeinderats praktisch immer rein sachlich getroffen worden. «Es war stets auch eines meiner Anliegen als Präsident, Geschäfte kontrovers diskutieren zu können und am Schluss einen von möglichst allen getragenen Beschluss zu erzielen.»

Besonders wichtig waren Erwin Müller gut vorbereitete Gemeindeversammlungen. «Der Souverän muss wissen, über was abgestimmt wird», so eine seiner Grundhaltungen. Und Geduld aufbringen müsse man, wenn immer wieder gleiche Fragen gestellt werden. Der Gemeindepräsident müsse zudem stets wissen, wie unerwartete Anträge abgearbeitet werden müssten. «Und es braucht eine gewisse Frustrationstoleranz nach verlorenen Geschäften. Man gewinnt nicht immer, auch im Gemeinderat nicht.»

Die Frage, ob er in seinem Amt auch mal persönlich angegriffen worden sei, beantwortet Müller mit einem klaren Nein. «Als hingegen ein persönlicher Angriff auf eine Gemeinderatskollegin erfolgt ist, habe ich sofort interveniert.»

Zu den Highlights seiner Amtszeit zählt Erwin Müller Geschäfte, die sich zunächst als Niederlagen angefühlt haben. Er erwähnt die Projekte des Kunstrasens auf dem Sportplatz Brühl sowie die neue Mehrzweckhalle im Dorfkern. Beide Kredite hatte der Souverän in einem ersten Schritt abgelehnt. «Im Gemeinderat war der Frust nach dem negativen Entscheid zur neuen Halle gross. Da gab es schon ein paar Sitzungen, wo die Stimmung nicht die erhabenste war», blickt Müller zurück.

Aber auch hier habe sich das vorsorgliche Vorgehen des Gemeinderats bewährt. «Wir konnten bei der Mehrzweckhalle die Initianten des Referendums davon überzeugen, dass die Investition dank gezielter Rückstellungen bereits vor dem Bau weitgehend finanziert war.» Und so bleibt Erwin Müller die festliche Einweihung der neuen Halle als eines der grössten Highlights seiner Amtszeit in Erinnerung.

Zuhören, aus den Diskussionen die wesentlichen Aspekte herausfiltern und damit den Geschäften zu einem guten Fortschritt verhelfen, gehört zu den besonderen Gaben von Erwin Müller. Diese schätzen nicht allein seine Gemeinderatskolleginnen und -kollegen, sondern auch überkommunale Organisationen. Erwin Müller ist gefragter Vizepräsident des Verbands Basellandschaftlicher Gemeinden (VBLG) und Vorstandsmitglied der Region «Liestal Frenkentäler Plus». «Die Mitarbeit in diesen Gremien ist für mich ein weiteres Highlight. Ich denke, dass auch meine Gemeinde von diesem Engagement profitiert hat», so Erwin Müller.

Viel mehr Arbeitsplätze
Sein Rückblick auf die Entwicklung der Gemeinde fällt unterschiedlich aus. Die Anzahl der Einwohner habe sich nach einer früheren starken Wachstumsphase seit 2000 bei rund 4400 stabilisiert, allerdings mit einer stark veränderten Struktur und wesentlich mehr älteren Leuten. «Andererseits verfügen wir heute über viel mehr Arbeitsplätze als vor 20 Jahren, was natürlich sehr erfreulich ist», bilanziert Müller. Die Kehrseite sei, dass der Durchgangsverkehr zu den vornehmlich im Süden Bubendorfs angesiedelten Firmen zugenommen habe.

Erwin Müller wird sich nach dem Ausscheiden aus der Gemeindeexekutive auch weiterhin für die Allgemeinheit engagieren. Er freut sich auch darauf, mehr Zeit mit seiner Frau und seiner Familie zu verbringen. Als handwerklich begabter Mensch will er zudem wieder vermehrt handwerklich tätig sein. Und vor allem bleiben ihm seine Engagements als freier Mitarbeiter der Kirchgemeinde Bubendorf-Ramlinsburg sowie die Mitarbeit im Stiftungsrat des Räbhofs in Lausen auch künftig eine Herzensangelegenheit.


«Eine der grössten Herausforderungen ist die Überalterung der Bevölkerung»

Herr Müller, welche Baustellen hinterlassen Sie Ihrem Nachfolger?
Wäre es so, würde dies ja bedeuten, dass ich irgendwo begonnen habe zu lochen und zum Nachfolger sage: «Jetzt kannst du weiterbuddeln.» Nein, so ist es nicht. Wir haben eine klare Planung bis 2023 und sind daran, diese laufend umzusetzen.

Wo haben Sie in all den Jahren Ihre Schwerpunkte gesetzt?
Zu den wichtigsten zählt, dass sich der Gemeinderat in den wesentlichen Geschäften einig und damit schlagkräftig ist. Wenn du als Gemeinderat weisst, was du willst und die Stossrichtung klar ist, kann man sehr viel erreichen. Zudem soll der einzelne Gemeinderat nicht nur sein eigenes Ressort verantworten, sondern auch den Blick öffnen für das Gesamte. Dann kann er selber in seinem Ressort Schwerpunkte setzen.

Wo sehen Sie die grössten Herausforderungen für Bubendorf?
Eines der grossen Probleme ist die Altersentwicklung der Bevölkerung. Wie gelingt es uns, einerseits genügend junge Familien im Dorf zu haben und andererseits auch die älteren Leute im Dorf zu halten, wenn sie ihr Eigenheim an Dritte weitergeben? Und nicht zuletzt müssen wir daran arbeiten, uns noch vermehrt als Dienstleistungsbetrieb vor allem für unsere Unternehmen zu etablieren.


ERWIN MÜLLER

emg. Erwin Müller, Jahrgang 1953, ist in Muttenz und Pratteln aufgewachsen. Er wohnt zusammen mit seiner Frau Christine seit 1983 in Bubendorf. Er gehörte während 19 Jahren dem Gemeinderat an, davon 15 Jahre als Präsident. Beruflich war Müller bis zu seiner Pensionierung 2015 während 38 Jahren Lehrer an der Sekundarschule (früher Realschule). Müller ist Vater von vier erwachsenen Kindern und hat vier Enkelkinder.


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