Wenn Telefonkabinen den Anschluss verlieren

  14.02.2019 Baselbiet, Bezirk Sissach, Wenslingen

Im Oberbaselbiet sterben die Telefonzellen aus. Mancherorts werden die Glaskästen nicht entfernt, sondern umgestaltet. Auch die Wenslinger Telefonkabine bekommt dank des Frauenvereins der Gemeinde eine zweite Chance.

Anna Uebelhart

In den kommenden Wochen wird die Telefonkabine in Oltingen entfernt. Beim Schulareal und bei der Post in Gelterkinden verschwanden zwei Telefonzellen beim letzten Umbau und jene beim Bahnhof soll noch diesen Monat das gleiche Schicksal ereilen. In Zunzgen gibt es noch eine, doch diese befindet sich im Gebäude der bereits geschlossenen Postfiliale. Was damit geschehen wird, sei noch nicht klar, informiert die Post. Der Anschluss sei jedoch schon länger nicht mehr in Betrieb. In Wenslingen sah die Situation ähnlich aus. Grund für den massiven Abbau der einst so beliebten Telefonzellen ist die von Swisscom angekündigte Stilllegung aller Anschlüsse.

Eine Telefonkabine ohne Telefonanschluss mag im ersten Moment nutzlos klingen, doch immer wieder entstehen kreative Ideen, wie die Glaskästen anderweitig genuzt werden können. Ein Beispiel dafür steht mitten in Wenslingen, direkt neben dem alten Postgebäude. Dort hat der örtliche Frauenverein die Gemeindeverwaltung angefragt, die dem Abriss geweihte Telefonkabine umnützen zu dürfen. Das Projekt Bring-und-Hol-Bibliothek ist geboren. Nachdem die Gemeinde die rechtliche Situation geklärt hatte, baute der Frauenverein die Kabine zu einem Bücherschrank um. Die Neuigkeit sprach sich schnell herum, sodass sich gleich mehrere Dorfbewohner am Projekt beteiligten. Das Konzept ist simpel: Wer ein Buch hat, das er oder sie nicht mehr braucht, kann es in der Mini-Bibliothek deponieren. Ist ein Exemplar dabei, das gefällt, darf es mitgenommen werden. Damit die Kabine nicht als Entsorgungsstation missbraucht wird, sollen höchstens zwei Bücher auf einmal ins Regal gestellt werden. Eine weitere Regel schreibt vor, dass ausschliesslich Bestseller, Romane und Krimis hineingelegt werden dürfen.

Die Kabine findet Anklang
Die Initiantin ist ein Mitglied des Wenslinger Frauenvereins. Auf die Idee kam sie, als sie in Olten und Schaffhausen zwei in Büchereien umfunktionierte Telefonkabinen entdeckte. Die Bücherkabine, die es seit September in Wenslingen gibt, funktioniere bisher einwandfrei. Die Eröffnung habe sie an der Generalversammlung des Frauenvereins kommuniziert. Nach und nach bekamen auch die restlichen Bewohner Wenslingens Wind von der Sache und die Bring-und-Hol-Bibliothek lief langsam an. Eine Überlastung habe es bisher nicht gegeben.

Sollte Missbrauch oder Vandalismus auftreten, sähe sich der Verein gezwungen, die umgenutzte Telefonzelle zu schliessen. «Damit im kleinen Bücherparadies kein Chaos entsteht, sortiere ich ‹Ladenhüter› regelmässig aus», erklärt die Projektverantwortliche des Frauenvereins. Sie halte die Kabine sauber und sortiere die Bücher alphabetisch nach Schriftsteller.

In der 700-Seelen-Gemeinde ist der Versuch, eine ausgediente Telefonkabine sinnvoll umzunutzen, geglückt. Auch in anderen Oberbaselbieter Gemeinden, beispielsweise Tecknau, hat sich die Idee einer Bring-und-Hol-Bibliothek durchsetzen können. So bleiben zumindest einige wenige der kultigen Telefonzellen erhalten und nicht nur die Kabine, auch die Bücher bekommen eine zweite Chance.


Das Schicksal der Telefonkabinen

aue. Gemäss einem Bundesratsbeschluss zählt das Publifon seit Januar 2018 nicht mehr als Bestandteil der Grundversorgung. Das heisst konkret, Swisscom ist nicht mehr verpflichtet, diese zu betreiben. Öffentliche Telefonanschlüsse werden kaum bis gar nicht mehr genutzt und seien für das digitale Zeitalter nicht mehr gerüstet, so Swisscom.
Offizielle Zahlen des Bundesamts für Kommunikation bestätigen einen starken Rückgang der Publifone in der Schweiz. Während im Jahr 2000 noch 45 064 Telefonkabinen in der gesamten Schweiz gezählt wurden, waren es 2014 nur noch 9570. Seither ist die Zahl weiter gesunken. Bald gehören Telefonzellen komplett der Vergangenheit an. Swisscom wird alle im Kanton noch vorhandenen Telefonkabinen dieses Jahr abbauen. Die Grundeigentümer – Gemeinde, Post, SBB – seien informiert.


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