Das Werben um die hölzerne «Braut»

  14.02.2019 Baselbiet, Bubendorf


Rund 150 000 Franken Erlös erwartet der Bubendörfer Revierförster vom Verkauf der schönsten Baumstämme, die im oberen Baselbiet und im Jura gefällt worden sind. Aus den Hölzern werden Musikinstrumente, edles Autointerieur, Möbel oder Weinfässer gefertigt.

Christian Horisberger

«Sehen Sie diese Rillen? Das zeigt, dass es sich um einen Riegelahorn handelt.» Der Bubendörfer Revierförster Balz Recher lässt die Hand über einen entrindeten Bereich eines mächtigen Holzstamms gleiten und schwärmt: «Sägt man das Holz auf, zeigt es eine Flammung, die eine sensationelle Spiegelung ergibt, wenn das Holz erst lackiert ist.»

Diese «Riegelung» sei eine Laune der Natur, sagt der 51-Jährige. Warum es dazu kommt, wisse man nicht. So rätselhaft das Phänomen ist, so rar sind Riegelahorne. «Auf 100 gefällte Ahorne kommt ein geriegelter – höchstens.» Einkäufer von Furnierwerken, die zum Beispiel für Autozulieferer arbeiten, oder Musikinstrumentenbauer würden halb Europa bereisen, um solche Stämme zu ergattern.

Wir befinden uns etwas ausserhalb von Bubendorf, im Gebiet Beuggen, wo die Kantonsstrasse nach Arboldswil abzweigt. 176 Stämme liegen auf der Matte, einer neben dem anderen, mit der Stirnseite zur Strasse oder zum Feldweg am Waldrand. Es sind mehrheitlich mächtige Stämme mit Durchmessern von bis zu 88 Zentimetern, gerade gewachsen, die meisten vier bis acht Meter lang. Das Kostbarste, was der Wald hergibt.

Einkäufer aus dem Ausland
Die Stämme haben ein Gesamtvolumen von 250 Kubikmetern, am besten vertreten sind Ahorne mit 86 Kubikmetern, Eichen mit 80, Eschen mit 51 und Nussbäume mit 20. Zudem jeweils einige Kubikmeter Linde, Spitzahorn, Apfel, Birne und – ganz selten – Maulbeere. Rund die Hälfte des Wertholzes stammt aus dem Jura, darunter die mächtigsten Eichenstämme.

Diesen Bäumen wird in den beiden kommenden Wochen die Aufmerksamkeit von Fachleuten aus mehreren europäischen Ländern zuteil. Es handelt sich um Einkäufer von hochwertigem Holz für den Möbelbau, für die Herstellung von Instrumenten, Werkzeugstielen, Weinfässern oder von Furnieren für die Veredelung von Luxusautos oder Wohnräumen (Riegelahorn): «Vor einigen Jahren waren die Hotels im arabischen Raum verrückt danach.»

Die Wiese ist sozusagen der Ausstellraum für die edelsten Stämme, welche die Wälder im oberen Baselbiet und im Jura hergeben. Jedes Jahr führt die Raurica Holzvermarktung AG einen Verkauf im Submissionsverfahren für die am besten gewachsenen Stämme durch. Übers Jahr zeichnen die Förster die Stämme an, im Winter werden sie gefällt, zum Ausstellplatz geschafft und von Balz Recher vermessen. Jeder Stamm erhält sozusagen eine Akte, diese werden zu einer Verkaufsdokumentation zusammengefasst und an potenzielle Interessenten – professionelle Holzeinkäufer aus Deutschland, Frankreich, Polen, Italien, Österreich und der Schweiz – versandt.

Die Einkäufer reisen nach Bubendorf, um die Stämme unter die Lupe zu nehmen. «Die können das Holz alleine schon an der Struktur der Rinde beurteilen», sagt Recher. Zudem würden die Profis die Stämme mit einem Hämmerchen «röntgen». Der Klang verrate ihnen mehr übers Innenleben. Zweites Werkzeug der Einkäufer ist der Taschenrechner. «Damit berechnen sie, wie viel Furnier ein Stamm hergibt.» Der Verkauf erfolgt im Bieterverfahren: Die Interessenten reichen die Gebote für die Stämme, die sie haben wollen, ein, die Gebote werden gleichzeitig geöffnet; gemäss Recher wird das in zwei Wochen der Fall sein. Der Höchstbietende erhält den Zuschlag und kann sein Holz nach der Bezahlung abtransportieren. Der Erlös geht abzüglich einer pauschalen Verkaufskommission an das Forstrevier, das den Baum geliefert hat.

Ein Stamm für 17 000 Franken
Zum Dessert werden den Teilnehmern der Submission sämtliche Gebote offengelegt. Dabei gebe es immer wieder Überraschungen, sagt Recher. Er erinnert sich an eine Differenz von nur 2 Franken bei einem Stamm, der für weit über 10 000 Franken wegging, aber auch an einen Stamm, der einem Käufer 14 000 Franken wert war. Das zweithöchste Gebot sei halb so hoch gewesen.

Den Gesamtwert der Hölzer der diesjährigen Versteigerung schätzt Recher auf rund 150 000 Franken. Voriges Jahr waren es 157 000 Franken. Der Höchstpreis wurde für einen perfekt gewachsenen Riegelahorn aus dem Jura geboten, den der Sturm Burglind umgeworfen hatte: 17 000 Franken. Mit dem Höchstgebot erwarb sich der Stamm den traditionellen Titel «Braut».

Eine «Braut» wird es auch bei der diesjährigen Versteigerung geben. Wie kostbar sie sein wird, kann Recher bestenfalls schätzen. Er hoffe auf einen fünfstelligen Betrag. Zwei Kandidaten traut Recher den Titel zu, der eine hat eine Länge von sieben Metern, eine gleichmässige Rundung, das Mark, von dem die Jahrringe ausgehen, liegt schön in der Mitte des Stamms. Der andere ist etwas kürzer, hat aber einen grösseren Durchmesser. Bei beiden handelt es sich um Riegelahorne – die mit den Rillen unter der Rinde.


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