Wirteprüfung wird unterschätzt

  07.09.2018 Baselbiet

 

Fast jeder zweite Absolvent schafft im Baselbiet die Prüfung zur Erlangung des gesetzlich vorgeschriebenen Wirte-Fähigkeitsausweises nicht. Das hat mit Vorbereitung, Sprache und auch mit der veränderten Gastronomiestruktur zu tun.

Daniel Schaub

«Die Wirteprüfung im Baselbiet ist nicht schwieriger als in anderen Kantonen», sagt Bruno Gruber, Geschäftsführer von Gastro Baselland und Präsident der regierungsrätlichen Prüfungskommission für den Fähigkeitsausweis zur Führung von Gastronomiebetrieben. Womit eines gleich zu Beginn geklärt ist: An zu hohen Anforderungen kann es kaum liegen, dass die Misserfolgsquote bei der kantonalen Wirteprüfung sehr hoch ist. «Es ist ein schweizweiter Trend», sagt Gruber und nennt mangelnde Vorbereitung, sprachliche Hürden und falsche Vorstellungen als Hauptgründe dafür, dass nur wenige die sechs Prüfungsmodule, die seit Juli 2006 noch gefordert sind, mit Bravour bestehen.

Gute Voraussetzungen für eine erfolgreiche Prüfung bildet der Vorbereitungskurs von Gastro Baselland, der die Kenntnisse in den Bereichen des kantonalen Gastgewerbegesetzes, im Rechnungs- und Lohnwesen, im Arbeitsrecht, in Betriebswirtschaft, in der Lebensmittelgesetzgebung, der Lebensmittelhygiene und der Alkoholgesetzgebung vermittelt. Der Gesamtkurs, der noch 20 Kurstage oder 150 Lektionen umfasst, die auch modular belegt werden können, kostet 3800 Franken und liefert eine mehr als solide Grundlage. Die Referenten sind hochkarätige Experten, die praxisnahes Wissen vermitteln, um das minimal nötige G1-Diplom zu erlangen. «70 Prozent der Absolventen dieses Wirtekurses bestehen die Prüfung im ersten Anlauf», sagt Gruber.

Wirtekurs ist keine Pflicht
Nur, der Wirtekurs von Gastro Baselland ist keine Pflicht. «Wir bieten – ähnlich einer Fahrschule – eine Dienstleistung zur Vorbereitung. Die Prüfung nimmt dann der Kanton ab», sagt Gruber. Die Prüfungskandidaten können sich demnach auch individuell vorbereiten, etwa über ein E-Lear ning-Programm aus dem Raum Bern oder mittels Selbststudium. Diese Aspiranten sind mittlerweile in der Mehrheit. «Von 50 Kandidaten bei der letzten Prüfung haben nur noch 20 unseren Vorbereitungskurs belegt.» Die übrigen kamen auf anderen Wegen zur Prüfung – und mehr als jeder Zweite schaffte es nicht.

Die sprachlichen Schwierigkeiten darf man nicht unterschätzen, denn im Bereich von Gesetzgebungen reicht der Grundwortschatz oft nicht mehr aus, um nur schon die Fragen korrekt zu verstehen. Drei Anläufe hat jeder Kandidat, um die Prüfung erfolgreich abzulegen, in einzelnen Fällen werden auch provisorische Bewilligungen erteilt, mit der Auflage, fehlende Prüfungsmodule innert einer Frist nachzuholen.

Einen Trend zu generell höheren Misserfolgsquoten in den vergangenen Jahren kann Bruno Gruber im Baselbiet nicht erkennen. Vielmehr bemerkt er starke Veränderungen in der Gastronomielandschaft. «Traditionelle Landgasthöfe sterben aus, in der Agglomeration entstehen dagegen viele Imbissrestaurants und Bistros.» Die Folge ist, dass die schon in den 1970er-Jahren prophezeite Gesundschrumpfung in der Gastronomie gar nie wirklich stattfindet. Die Zahl der Betriebe ist im Grunde stabil, obwohl in jedem vierten Restaurant jährlich der Wirt wechselt und 63 Prozent aller Betriebe in der Schweiz rote Zahlen schreiben.

Neun Kantone kennen kein Patent
Einige Kantone wie Zürich, Zug, St. Gallen, Graubünden, Schwyz, Uri, Glarus oder Appenzell Ausserrhoden kennen seit einer ersten Liberalisierungswelle in den späten 1990er-Jahren keine Pflicht zum Fähigkeitszeugnis mehr. Neuenburg hat die Wirteprüfung 2015 abgeschafft. In jüngerer Zeit gibt es aber auch den gegenteiligen Trend. In Solothurn etwa ist nach der Abschaffung 1996 vor zwei Jahren das Wirtepatent wieder zwingend, allerdings bietet der Kanton keine eigenen Prüfungen an und schickt seine Kandidaten in die Nachbarkantone, auch ins Baselbiet. Vorstösse zur Wiedereinführung der Wirteprüfung sind zuletzt in St. Gallen, Graubünden und Uri gescheitert.

Auch im Kanton Basel-Stadt gibt es politische Bestrebungen, künftig auf die Wirteprüfung zu verzichten; ein Entscheid wird in den nächsten Jahren erwartet. Im Baselbiet steht der Fähigkeitsausweis indes nicht zur Debatte. Vielleicht liegt das auch daran, dass die Anforderungen zur Erlangung des Wirtepatents im Sommer 2006 in der Verordnung zum Gastwirtschaftsgesetz von der Baselbieter Regierung schon markant zurückgeschraubt worden sind. Seither werden statt bis dahin 13 nur noch 6 Prüfungsmodule verlangt, die sich vor allem auf die gesetzlichen und administrativen Rahmenbedingungen stützen. «Es wird nicht geprüft, ob ein Wirt ein guter Gastgeber ist, ob er kochen oder servieren kann», sagt Gruber.

Für ihn ist klar, dass «wir von der Branche weiterhin wollen, dass zur Führung eines Gastronomiebetriebs Grundkenntnisse nachgewiesen sein müssen». Von den 20 letzten Kursabsolventen bei Gastro Baselland kamen nach Angaben von Gruber nur 3 aus der Gastronomie selbst. «Die restlichen sind Quereinsteiger. Diese können zwar die Szene beleben, gehen aber teilweise auch von falschen Vorstellungen aus.» Es komme vor, dass der Kurs auch dazu führe, dass ein Kandidat einsehe, dass er nicht für die Gastronomie geschaffen sei.


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