Regierung muss Beschwerde zu Verbot von türkischem Event behandeln

  07.02.2018 Baselbiet, Gesellschaft, Bezirk Liestal, Polizei, Justiz

Die Regierung hatte ihr Nichteintreten auf die Beschwerde der Veranstalter - ein türkischer Kulturverein - damit begründet, dass kein aktuelles Rechtsschutzinteresse mehr vorliege, da das Eventdatum vorbei sei. Zudem würde sich die damalige Konstellation «kaum» je wiederholen.

Das Kantonsgericht sah dies bei der Urteilsbegründung am Mittwoch anders: Einstimmig hiess das fünfköpfige Gericht die Beschwerde gegen den Regierungsentscheid teilweise gut. Nicht eingetreten ist das Gericht dabei auf zusätzliche Beschwerdegründe nebst dem Verbot, etwa zu Schadenersatzforderung oder Genugtuung.

Versammlungs- und Meinungsäusserungsfreiheit

Materiell behandeln muss die Regierung das von den Behörden verfügte Verbot, auch wenn gemäss Gericht für den spezifischen Anlass im vergangenen Jahr kein aktuelles Rechtsschutzinteresse mehr besteht. Die betreffende Veranstaltung - ein Gedenkanlass für gefallene Soldaten im ersten Weltkrieg - habe zuvor mehrfach stattgefunden und sei auch künftig geplant. Ein gerichtlicher Entscheid im Einzelfall sei aus Zeitgründen kaum je möglich.

Der zuständige Referent verwies in der Urteilsberatung an der Abteilung Verfassungs- und Verwaltungsrecht des Baselbieter Kantonsgerichts auf Bundes- und Kantonsgerichtsurteile etwa zu Demonstrationen. Die Versammlungs- und Meinungsäusserungsfreiheit sei zudem ein hohes Gut. Eine Einschränkung dieses Grundrechts sei nur in Ausnahmefällen zulässig.

Die Gerichtspräsidentin betonte im Weiteren, dass der von den Behörden verbotene Event ein privater Anlass auf privaten Grund gewesen sei. Es bestehe daher auch ein öffentliches Interesse an einer grundsätzlichen Beurteilung dieses Verbots.

Die vom Kanton geltend gemachten Sicherheitsbedenken müssten rechtlich überprüft werden können, sagte einer der Richter. Dies müsse auch nachträglich möglich sein, da sonst jede Veranstaltung kurzfristig aus polizeilichen Gründen verboten werden könne, ohne dass je geprüft würde, ob ein solches Verbot rechtens gewesen ist.

Kurzfristig verboten

Zur Veranstaltung am 18. März 2017 in einer oft für türkische Anlässe genutzten Halle in einem Gewerbegebiet in Reinach waren bis zu 500 Personen aus der Schweiz und dem angrenzenden Ausland erwartet worden. Eingeladen worden waren auch zwei bekannte Repräsentanten der ultranationalistischen türkischen Grauen Wölfe.

Die Polizei hatte die Veranstaltung in Absprache mit der Baselbieter Sicherheitsdirektion einen Tag vor der geplanten Durchführung verboten, nachdem Linksextreme in den sozialen Medien schweizweit zu einer «Antifa-Demo» in Reinach aufgerufen hatten. Damit seien Sicherheit und öffentliche Ordnung für die Bevölkerung nicht mehr gewährleistet gewesen.

Noch zwei Tage vor dem Anlass hatte die Polizei keinen Anlass für ein Verbot der Veranstaltung gesehen. Durchgeführt werde der Event von einer Organisation, die nicht verboten sei, hatte es geheissen. Als Graue Wölfe werden die Mitglieder der rechtsextremen türkischen Partei der Nationalistischen Bewegung bezeichnet.

In Medienberichten bestritten die Veranstalter, dass am Anlass in Reinach für das damals bevorstehende Referendum über die Reform der türkischen Verfassung geworben werden sollte, mit der die Macht von Präsident Recep Tayyip Erdogan weiter ausgeweitet wurde. sda


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