2018 wird zum Jahr des Handelns – ein Leitartikel von Jürg Gohl

  29.12.2017 Baselbiet, Gesellschaft, Gemeinden, Medien

Natürlich das wuchtige Nein, welches das Ende des «Läufelfingerlis» verhinderte, natürlich die öffentliche «Metzgete» in Sissach inklusive der anschliessenden Selbst­geisselung des ehemaligen Pfarrers von Rothenfluh: Unsere wichtigsten Schlagzeilen der zurückliegenden zwölf Monate sind schnell gefunden. Heftigste Reaktionen löste es aus, als in unserer Zeitung erstmals die Pläne von Rolf Häring publik wurden, in aller Öffentlichkeit (aber in einem abgeschotteten Bereich) zwei Schweine zu töten und zu schlachten. Damit wollte er einer immer urbaner werdenden Gesellschaft das alte Handwerk des Metzgers, den Ursprung des abgepackten Kalbskoteletts im Grossverteiler und die Tradition der «Metzgete» auf den Bauernhöfen vor Augen führen. 

Sissach gelangte mit der «Metzgete» nicht nur dank nationaler, sondern sogar dank internationaler Medien kurz zu Berühmtheit. Es war ja zu erwarten, dass der Anlass im Vorfeld Diskussionen auslösen wird. Das Ausmass und der Fanatismus überraschten alle und bestätigten eine alte Journalistenregel: Willst du deine Leser wachrütteln, so schreibe über Tiere und über Religion.

Wetterkapriolen und grüne «Puller»

In diesem Ausmass nie erwartet: Diese Formulierung trifft auch für den Ausgang der «Läufelfingerli»-Abstimmung und die Emotionen im Vorfeld des 26. Novembers zu. Das Komitee «Pro Läufelfingerli» mit vielen prominenten Köpfen aller Couleur leistete ganze ­Arbeit und wurde am Ende dafür belohnt. Der Erfolg der GLA-Gegner an der Urne lässt sich auf verschiedene Weisen interpretieren und basiert auf der Summe dieser Erklärungsversuche: Das Volk ist des Sparkurses des Parlaments und der Regierung überdrüssig, die beide noch nie so bürgerlich aufgestellt waren wie gegenwärtig. Da spielt es keine Rolle, dass es genau genommen beim 8. GLA nicht um eine Sparübung, sondern um eine Umverteilung ging. Und der Stimmbürger verteidigt die strukturschwachen Randregionen – das hat bereits die Abstimmung zuvor zu den Deponien im Laufental gezeigt.

Beim Blick auf das übermorgen endende Jahr verhält es sich gleich wie beim Blick vom Wisenberg-Turm, von der Wasserfallen oder der Sissacher Fluh: Oft verstellt uns das Naheliegende den Blick auf das Entfernte. Das Jahr 2017 steht im Oberbaselbiet nicht nur im Zeichen der verhinderten Schlachtung der S9 und der geretteten Schlachtung von zwei Schweinen. Gerettet wurde zum Beispiel auch das Eglin-Sgraffito mit der schützenden und schützenswerten Zigeunerin. 2017 steht für die erste Traktoren-Power-Orgie in Oltingen namens «Green Pulling». Der Begriff erschliesst sich zumindest beim ersten Hinhören keinem.

Dass die Landwirtschaft im April durch Frostnächte einen seit Jahrzehnten nie erlebten Ernteeinbruch erfuhr, dürften die 90 Prozent der Bevölkerung in unserem Verteilungsgebiet, die gemäss Statistik nicht mehr von der Scholle leben, bereits vergessen haben. Oder man erinnert sich wenigstens noch an die eindrücklichen Bilder: Bauern überdeckten ihre Obstbäume und versuchten mit Feuer, die vernichtende Wirkung des Frostes zu lindern. 

Schliesslich steht das endende Jahr auch für bauliche Ereignisse, etwa für eine ausgegrabene römische Villa, den Spatenstich zum neuen Gelterkinder Hallenbad, das gescheiterte Golfplatz-Projekt in Wenslingen oder den Durchbruch beim Bau der dritten Bölchenröhre bei Eptingen. Erinnert sei schliesslich noch an die Heisswetterperioden und ihre verheerenden Folgen für den Fischbestand.

Wir müssen Einfluss nehmen

Die wahllos angeführten Beispiele zeigen uns eines: Wir als Einwohner und Einwohnerinnen sowie wir als Zeitung können auf gewisse Ereignisse durchaus Einfluss nehmen. Hätte die «Volksstimme» nicht immer wieder über die Ormalinger Zigeunerin berichtet und so die entscheidenden Leute mit ihrer rettenden Idee auf den Plan gerufen, läge das in meinen Augen wirklich erhaltenswerte Sgraffito längst in einer Inertstoff-Deponie. Unsere Zeitung trug auch dazu bei, dass im Sommer der Bauschutt-Sünder gestellt werden konnte. Oder ein unbeachtetes Beispiel: Wir hatten – zugegeben mit etwas Pathos – kurz vermeldet, dass die Kinderfasnacht in Buckten vor dem Aus stehe. Prompt sprangen «gute Feen» ein und retteten den Anlass, wie wir kurz vor Weihnachten vermelden konnten.

Darin sieht die Redaktion ihre vornehmste Aufgabe: Themen vom «Läufelfingerli» bis zur Kinder­fasnacht in Buckten ins Rampenlicht zu rücken, sie, um beim Bild zu bleiben, von allen Seiten zu beleuchten und sie damit sozusagen beim Leser in die Vernehmlassung zu schicken. Denn es liegt in erster Linie nicht am Gemeinde-, Land- oder Regierungsrat, sondern an der Initiative der Öffentlichkeit, ob ein Sgraffito, eine zu schwach genutzte Bahnlinie oder auch nur eine Kinderfasnacht gerettet werden soll. Sie ist, allem Schulwissen zum Trotz, die erste Macht im Staat. Diskutieren und vor allem gestalten wir mit, wie das Waldenburger «Stedtli» umgebaut, der Sissacher «Strichcode» befahren, die Gelterkinder Begegnungszone belebt oder ein verarmendes Dorf am Leben erhalten wird.

Im Kleinen Grosses bewirken

Natürlich ist das bei gewissen Herausforderungen leichter gesagt als getan. Gegen den Frost im April und die Trockenheit vom vergangenen Sommer, die wir gerne als «Wetterkapriolen» abtun, können wir nicht viel unternehmen. Sie hängen mit dem welt­weiten Klimawandel zusammen, der grössten aktuellen Herausforderung für die Menschheit. Doch selbst hier muss sich jeder Einzelne fragen, welchen Beitrag er leisten kann, um die gigantische Katastrophe zu verhindern.

Erklären wir – gemeint sind Sie wie auch unsere Zeitung – 2018 zum Jahr der Tat. Bewirken wir im Gros­sen Kleines und im Kleinen Grosses.

 


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